Liebe lässt sich nicht verbieten

Liebe lässt sich nicht verbieten
Foto: Matthias Albrecht
Liebende gleichen Geschlechts erhalten in der Württembergischen Landeskirche keinen Segen, so hat es die dortige Synode vor drei Wochen beschlossen. Ich habe Stimmen von Menschen aus der Württembergischen Landeskirche gesammelt, die für die Gleichstellung homosexueller Christ_innen kämpfen. Wie geht es ihnen nach dem Beschluss? Was möchten sie denen sagen, die gegen die Segnung stimmten? Und was erhoffen sie sich für die Zukunft?

Doktorin Monika Barz, emeritierte Professorin für Frauen- und Geschlechterfragen an der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg antwortet: "Ich bin erleichtert, denn der um zwei Stimmen verpasste Kompromiss, wäre immer noch diskriminierend für uns gewesen. Damit wäre das Thema für einige Jahre stillgelegt und es wäre schwierig gewesen, es wieder auf die Tagesordnung zu bringen. Jetzt bleibt die Segnung/ Trauung gleichgeschlechtlicher Paare auf der To-Do- Liste und wir können hoffen, dass zukünftig eine neu zusammengesetzte Synode sich gleich im ersten Anlauf auf eine diskriminierungsfreie Form der Segnung/ Trauung verständigt". Denen die gegen die Segnung gleichgeschlechtlicher Liebender gestimmt haben möchte Barz sagen: "Sie brauchen keine Angst vor uns haben. Suchen Sie bitte immer wieder das Gespräch mit uns. Warum können Sie sich nicht freuen, dass so viele von uns in verantwortungsvollen verbindlichen Beziehungen leben dürfen und sich eine Segnung und Trauung im Sinne christlicher Traditionen wünschen. Ist das nicht toll!" Ihre Perspektive für die Zukunft: "Ich denke wir werden das, was an mittelalterlichen dämonischen Vorstellungen während der 1 ½ tägigen Debatten in der Synode geäußert wurde, öffentlich machen. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Mehrheit der evangelischen Bevölkerung geschockt sein wird. Ich werde mit dazu beitragen, dass bei der nächsten Synodalwahl mehr Menschen zur Wahl gehen. Wir werden dann eine Zusammensetzung in der Synode haben, die die evangelische Bevölkerung realistischer abbildet ".

Maike Pfuderer Kirchengemeinderätin und Aktivistin im Landesnetzwerk LSBTTIQ- Baden-Württemberg sowie dem Bündnis Kirche und Homosexualität (BKH) meint: "Die Beschlüsse der Synode der Evangelischen Landeskirche in Württemberg musste ich zunächst sacken lassen. Zunächst dachte ich an den sofortigen Austritt aus der Kirche, habe dann aber beschlossen, dass das Wegrennen unsere Kirche denen überlässt, die durch Missdeutung der Bibel weiterhin diskriminieren wollen. Und so entschied ich mich für Kirche auf Bewährung! Ich gebe der Landeskirche die Chance auf Bewährung bis zum Jahr 2020, wenn sich die am ersten Advent 2019 zu wählende Landessynode gefunden hat und arbeitsfähig ist. Vielleicht ist es ja dann ganz einfach und braucht nur den formellen Beschluss, dass die Trauordnung für alle gem. § 1353 BGB geschlossenen Ehen gilt. Es braucht keine Verrenkungen, der § 1 unserer Trauordnung regelt das. Bei der Tagung der Synode war so viel von biblischer Rechtfertigung die Rede. Gut, warum nicht? 1. Mose 18 Vers 23 fiele mir ein: 'Und Abraham trat näher und sprach: Willst du auch den Gerechten mit dem Gottlosen wegraffen?' Vielleicht lässt sich unter dem Motto Kirche auf Bewährung ja auch eine Gruppe bilden, die bis zur nächsten Kirchenwahl die liberalen Christ*innen aktiviert? Eine offene Kirche gibt es nicht auf dem Sofa, dafür müssen wir arbeiten und dann auch unser Wahlrecht ausüben!"

Birgit Mattausch, Pfarrerin der Württembergischen Landeskirche, hat sich bereits kurz nach der synodalen Ablehnung an diejenigen Synodalen gewandt, die nicht für eine Segnung gestimmt haben. In einem viel beachteten Facebook-Posting schreibt sie: "Liebe Geschwister, wisst ihr was? von mir aus könnt ihr gern die Kirchen in Württemberg haben, die Kanzeln, die Plätze vor dem Altar, alle Sitze in der Synode, alle in den Kirchengemeinderäten. Ihr könnt den nächsten Bischof stellen und alle Prälaten (Prälatinnenkandidatinnen gibt’s glaub ich in euren Reihen nicht so viele). Ihr könnt eure Art zu leben zum Maßstab fürs Christ*insein erklären und Gendersternchen-Verwendung unter Strafe stellen, wenn ihr schon dabei seid. Aber ihr könnt uns andere nicht von Jesus trennen. Ihr könnt uns unsere Liebe zu ihm und zu seinem Wort nicht nehmen. Ihr könnt es nicht rückgängig machen, dass Gottes Sohn einer war und einer ist, der nicht passt und der die liebt, die nicht passen.
Jesus passt nicht in euer aufgeräumtes Sagrotanleben mit euren sauberen Vorgärten, euren angeblich dauerglückenden Ehen, euren schriftgemäßen Sexualpraktiken.
Deshalb: Nehmt ihr die Kirchen, die Agenden, die Gesetze, die ganze Württembergische Landeskirche.  Wir anderen gehen so lang hinaus ins Freie. Wir gehen auf Wiesen, in Häuser, Unterführungen, Cafés. Dort segnen wir einander und wir segnen das, was zwischen uns ist. Jesus ist genauso bei uns ".

Jutta Henrich, Mitglied der Landessynode und Mitglied der EKD-Synode macht deutlich: „Der Gesprächskreis Offene Kirche, derzeit zweitgrößte „Fraktion“ innerhalb der Landessynode, kämpft nicht erst seit gestern für eine volle Gleichberechtigung schwuler und lesbischer Menschen in unserer Landeskirche. Nachdem viele Landeskirchen die Frage der Trauung lesbischer und schwuler Paare unterschiedlich, aber positiv entschieden haben, nach einer großen Online-Petition an die Landessynode standen die Chancen, zu einer guten Entscheidung zu kommen, nicht schlecht. Nachdem der Antrag der Offenen Kirche, der volle Gleichstellung schwuler und lesbischer Paare vorsah, in der Synode abgelehnt worden war, ging es um einen Kompromissvorschlag, der den evangelikalen Synodalen weit entgegenkam. Ich finde es sehr bitter, dass evangelikale Kolleginnen und Kollegen in der Synode einen Minimalkompromiss verhindert haben, gegen ausdrücklichen Appell des Bischofs!  Die vielen Reaktionen auf den Synodalbeschluss bestärken alle württembergischen Synodalen, welche die kirchliche Trauung lesbischer und schwuler Paare erreichen wollen, darin, den Kampf jetzt nicht aufzugeben. Wir vertrauen auf das Wirken des Heiligen Geistes, auf die Einmischung der Menschen dieser Kirche und die Kraft der Bewegung!“

Anne und Julia berichten: "Wir werden uns im nächsten Jahr in einer Gemeinde der württembergischen Landeskirche segnen lassen und nach 18 Jahren Partnerschaft  Ja zueinander sagen. Auch wenn das nur in der Illegalität stattfinden kann, weil in dieser Landeskirche nicht mal eine Kompromisslösung eine Mehrheit findet, dann hält es uns und die Gemeinde dennoch nicht davon ab. Liebe lässt sich nicht verbieten. Segen lässt sich nicht verbieten. Beides nehmen wir dankbar als Geschenk von Gott. Die Synodalen, die sich nicht zu einem Ja zum Kompromiss durchringen konnten, bitten wir dringlich darum, zu hinterfragen, was sie denn jetzt für einen Sieg errungen haben: Die Gräben sind tiefer geworden, die Kirche ist in Lager zerteilt über ein biblisches Randthema.  'Haben Konservative in der Landeskirche noch ihren Platz?' 'Haben LGBT* in der Landeskirche noch ihren Platz?'. Warum haben nicht alle Platz und lassen den anderen Geschwistern ihren Raum zum Glauben und Leben?"

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