Ich klicke auf den Artikel zur "Anerkennung der Trauung gleichgeschlechtlicher Paare" auf der Nachrichtenseite der Evangelischen Kirche der Pfalz, dem Evangelischen Kirchenboten. Schön, dass die Pfälzer Landeskirche eine woanders vollzogene Trauung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften in ihr Kirchenbuch einträgt – wie es bei gegengeschlechtlichen Trauungen üblich ist. Damit ist sie tatsächlich weiter als die meisten anderen Landeskirchen. Schade allerdings, dass sie trotz dieses vorwärtsgewandten Schrittes nicht selbst so weit geht, ebensolche 'Homo-Trauungen' auch in ihrer Kirche zu erlauben und anzubieten. Woran hängt’s?
Links vom Artikel steht auf der gleichen Seite ein Kommentar: "Vor Gott sind alle Menschen gleich". Soll ich es wagen, diesen Artikel anzuklicken? Was erwartet mich dann dort? Dass queere Personen nicht unter „alle Menschen“ zu fassen sind? Ich wage es. Und ich freue mich, denn es geht tatsächlich um Schwule und Lesben. Und der Autor des Kommentars Hartmut Metzger, Chefredakteur des Kirchenboten, hört sich verständlicherweise ungeduldig an: "Wir Christen sollten uns fast 2000 Jahre nach Paulus einmal gründlich darüber Gedanken machen, über was wir eigentlich streiten. Über die sogenannte 'Homoehe', die es weder im Staat noch in der Kirche gibt? Über den Selbsterhaltungstrieb alter Männer in der Evangelischen Allianz, die keine Frömmigkeit ertragen können, die sie nicht selbst erfunden haben? Oder etwa doch über das, was 'Christum treibet' und 'dem Leben dient': Beides ist entscheidend, sonst nichts."
Warum ist der Schritt einer tatsächlichen Gleichberechtigung in der Trauung immer noch für viele Kirchen so abwegig? Warum ist Gerechtigkeit als Wort von so vielen Christ_innen schnell gesagt, aber als Tat so wenig umgesetzt?
Ein gängiges Argument, warum die Trauung für gleichgeschlechtliche Paare nicht durchgesetzt wird, ist das Betonen der Verschiedenheit. Mir selbst erscheint es absonderlich und künstlich, eine Ehe zwischen zwei Männern oder zwei Frauen als etwas 'Anderes' zu sehen als eine zwischen Mann und Frau geschlossene Ehe. Liebe ist Liebe. Über das Argument der Fortpflanzung brauchen wir nicht reden und darüber, dass sehr wohl auch Schwule und Lesben längst Kinder kriegen und großziehen auch nicht. Geschlecht ist für mich nicht fix, endgültig, immer eindeutig und an bestimmte Genitalien oder Einträge im Geburtenbuch gebunden.
Seit es in Deutschland für intersexuelle* Menschen bei der Geburt die Möglichkeit – bzw. den Zwang – des offenen Geschlechtseintrags gibt (2013) und ebenfalls seit der Änderung des sogenannten Transsexuellengesetzes (2011) hat sogar der Staat quasi schon eingelenkt, dass Geschlecht nicht nur in der Zweiheit von Mann oder Frau in Erscheinung tritt bzw. dass die Geschlechtsteile des Menschen nicht unbedingt etwas (Konkretes) über die Geschlechtsbestimmung aussagen. Geschlechtsbestimmungen sind fluider geworden, offener, (leichter) änderbar.
Wie absurd es ist, gleichgeschlechtliche Partnerschaften irgendwie anders zu behandeln als gegengeschlechtliche zeigen diejenigen Paare, die bewusst oder zufällig entweder noch vor der Transition des einen Partners/Partnerin oder erst danach heirateten: Nach deutschem Recht sind sie dann zum Beispiel – obwohl homosexuell – 'vollwertige' Ehepartner_innen. Es gibt sie also auch schon in Deutschland, die richtigen Homo-Ehen. (Get over it!)
Wie viele andere spricht sich auch Christian Schad, Kirchenpräsident der Pfälzischen Landeskirche, für eine Unterscheidung zwischen homo- und heterosexuellen Beziehungen aus: "Muss Verschiedenes erst gleich gemacht und gleich bezeichnet werden, um gleiche Würde und gleiche Rechte zuzugestehen? Oder ist es nicht ein anspruchsvolleres Konzept von Verschiedenheit, wenn die Ehe und die Lebenspartnerschaft Gleichgeschlechtlicher in ihrer Unterschiedlichkeit benannt bleiben und gerade dem Verschiedenen gleiche Würde und gleiches Recht zugestanden wird?"
Ich habe diese Argumentation übrigens noch nie von lesbischen, schwulen oder bisexuellen Menschen gehört. Besonders problematisch finde ich es, wenn sie von heterosexuellen, weißen, nicht behinderten, männlichen Menschen kommt. Es ist leicht, mit dem Finger auf wen anders zu zeigen und zu sagen: Du bist anders! Und das ist doch ok so. Das kann doch auch so stehen bleiben. Das soll auch so bleiben. Weil wenn du anders bist, dann bin ich normal.
Und (vermeintliches) Normalsein geht mit Privilegien einher. (Ich sage ja: männlich, weiß, hetero, nicht behindert …)
Der Drang, Unterschiede zu machen, Abgrenzungen herbeizuführen oder sie aufrechtzuerhalten, hat sehr viel zu tun mit dem Vereinnahmen von Privilegien, dem Nicht-teilen-Wollen – der Angst, wenn sich etwas verändert, könnte das zu meinem Nachteil sein.
Wenn Präsident Christian Schad im Interview mit evangelisch.de erklärt, dass Protestantismus für ihn Vielfalt heiße und "dass es keine Hierarchien gibt", dann kann man nur hoffen, dass er sein Verständnis von Protestantismus auch in die Tat umsetzt – ohne faule Kompromisse und Sonderregelungen für die 'anderen' und ohne Palaver über eine angeblich gerechte Verschiedenheit.