Liebe evangelisch.de-Nutzerinnen und -Nutzer,
die evangelische und die katholische Kirche feiern am Samstag einen gemeinsamen Gottesdienst. Bahnbrechend, oder? Naja, nicht wirklich. Denn dass Protestanten und Katholiken gemeinsam Gottesdienst feiern, sollte 2017 keine besondere Erwähnung wert sein. Aber diesmal ist es kein ganz normaler Gottesdienst: Die gemeinsame Feier in Hildesheim (17 Uhr, wird in der ARD übertragen) steht unter dem Motto "healing of memories", Heilung der Erinnerungen.
Was bedeutet das? Gut erklärt hat es Maria Stettner, Ökumenereferentin der bayrischen Landeskirche: "Wer um 'Healing of memories' bittet, bleibt aber nicht bei dem stehen, was war, sondern geht gewissermaßen in drei Schritten von der Vergangenheit in die Zukunft: Der erste Schritt ist der gemeinsame Blick in die Vergangenheit mit Klage über zerbrochene Gemeinschaft, über gegenseitige Ausgrenzung, aber auch mit Dank für gemeinsame Schätze und Erkenntnisse." Der zweite Schritt sei die gegenseitige Bitte um Vergebung und die Bitte an Gott, dass er Versöhnung schenken möge. "Auch der dritte Schritt ist sehr wichtig: Gemeinsame Wege in die Zukunft suchen!"
Dieser letzte Punkt, gemeinsame Wege in die Zukunft, ist das eigentlich interessante an dem Gottesdienst in Hildesheim. Denn die ganze Ökumene-Symbolik bringt ja nichts, wenn der deutsche Wunsch nach mehr offizieller Gemeinsamkeit in den wenigen noch übrigen Fragen (wie dem gemeinsamen Abendmahl) an den Mauern des Vatikan zerschellt. Die deutschen Kirchen müssen also ihren eigenen gemeinsamen Weg finden. In der Praxis funktioniert das in den Gemeinden weitgehend reibungslos, weil die konfessionellen Unterschiede doch eher akademisch sind. Es ist aber heute noch wichtig, wie früher das Miteinander (oder Gegeneinander) von Protestanten und Katholiken funktioniert hat.
Noch nach dem zweiten Weltkrieg war es keineswegs selbstverständlich, dass sich Gläubige beider Konfessionen gegenseitig akzeptierten. Eine Geschichte voller Zerwürfnisse und vorsichtigem Kennenlernen, die meine Kollegin Lilith Becker hier in Bild und Ton nachgezeichnet hat. "Healing of memories" bezieht sich trotzdem für die allermeisten deutschen Christen nicht auf ihre persönlichen Erinnerungen. Da gibt es nichts zu heilen, weil die Gemeinsamkeit einfach normal ist. Wir leben immerhin nicht in Nordirland, wo die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Protestanten und Katholiken bis heute das politische Geschehen bestimmen.
Wir werden also am Samstag ein Symbol erleben, dessen konkrete Auswirkungen sich wohl eher in Grenzen halten werden. Der Blick in die Vergangenheit ist der leichteste Teil dabei - der Blick auf das, was trennt, ist auch ein Stück weit Reflex in der Begegnung der Konfessionen, sei es zwischen Reformierten und Lutheranern oder eben Katholiken. Die Bitte um Vergebung gemeinsam zu sprechen ist schon schwieriger, denn dafür muss sich jeder darauf einlassen, dass es etwas zu vergeben hat. Der Kern dessen, was die Katholiken dazu bringt, immer nur vom "Reformationsgedenken" zu reden, wenn sie das Reformationsjubiläum meinen - nämlich die Kirchenspaltung - ist sicherlich nichts, was Protestanten irgendwie rückgängig machen wollen würden. Für manche Folgen dessen kann man sicher um Vergebung bitten, aber nicht für die Reformation selbst. Ohne das Skript zu kennen, nehme ich aber an, dass es so auch nicht gedacht ist.
Der schwierigste Teil ist der gemeinsame Blick in die Zukunft. Mehr als ein "weiter so" auf der offiziellen Ebene erwarte ich nicht. Die Streitfragen, die noch offen sind, lassen sich eben nicht einfach von einer katholischen Regionalkirche (der deutschen) lösen. Mehr als "versöhnte Verschiedenheit" wird es also nicht sein. Aber damit kann man gerade in der Praxis ja leben und leben lassen. Es geht schließlich gottseidank schon lange nicht mehr um Leben und Tod, wenn sich Protestanten und Katholiken begegnen.
Ich wünsche euch und Ihnen ein gesegnetes Wochenende!
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Ich werfe immer am Samstag an dieser Stelle einen Blick auf die vergangene Woche und beantworte außerdem Ihre Fragen zu evangelisch.de, so gut ich kann. Ich wünsche euch und Ihnen einen gesegneten Start ins Wochenende!