Wer fügt die Mosaiksteinchen der Kirche zum großen Ganzen zusammen?

Wer fügt die Mosaiksteinchen der Kirche zum großen Ganzen zusammen?
Damit #DigitaleKirche funktioniert, brauchen wir Menschen, die verstehen, wie alles, was man über die Kirche wissen kann, seinen Weg in die Informationsnetzwerke findet.

Was heißt "Digitale Kirche"? Hannes Leitlein, berühmt ob seines Artikels über das "Wandern im finsteren Digital" von 2017, und Knut Dahl, selbstironischer Internetpionier, haben die Debatte darum auf‘s Wesentliche zurückgeführt. Ihnen geht es nicht um Theologie und Kirchenbild, sondern um die viel banaleren Herausforderungen für #DigitaleKirche: mindestens alle Kirchen auf Google Maps auffindbar zu machen.

Zumindest die rheinische Kirche hat genau das erkannt und will in einem Pilotprojekt mit Yext die Inhalte der eigenen Termindatenbank ins große weite Netz verteilen. Parallel läuft die Arbeit der EKD am Projekt "Kirche bei dir" weiter, um die in fast allen Landeskirchen vorhandenen Informationen zumindest an einer Stelle zentral zu sammeln und von dort aus damit weiterarbeiten zu können.

Das macht alles Sinn. Denn wie Hannes Leitlein im VKDD-Podcast Folge 12 aus eigener Erfahrung berichtete, ist es selbst in Landeskirchen, die gepflegte Termin-Datenbanken haben, schwierig, einen Gottesdienst in der eigenen Nähe zu finden. Er hat es zu Silvester in Berlin versucht und ist an dieser Aufgabe gescheitert.

Jede Kirchengemeinde könnte das im Prinzip auch schon selbst ermöglichen, indem sie sich intensiver mit "Google My Business" beschäftigt. Aber erstens wissen das die meisten nicht und zweitens ist auch die Frage, ob solche grundsätzlich strategischen Überlegungen wirklich jeder Gemeinde einzeln aufgebürdet werden müssen, wenn es doch genau dafür Zusammenschlüsse gibt.

Pressesprecher, Publizistik und persönliche Präsenzen

Wenn es darum geht, einfach zu zeigen, was Kirche jetzt schon ist und kann, ist die traditionelle Strategie zunächst zweigleisig: kirchliche Öffentlichkeit parallel zur kirchlichen Publizistik. Landeskirchliche Medienhäuser, Kirchenzeitungen und der epd, auch Zeitzeichen, chrismon und seit 2009 auch evangelisch.de haben einen Teil dieser Aufgabe, die Pressesprecher und Öffentlichkeitsarbeiter der Kirchen und Gemeinden einen anderen.

Wie @knuuut und @leitlein richtig aufzeigen, sind über Jahre die personalisiert-individuellen Präsenzen von Einzelnen dazugekommen, die twitternden, instagrammenden und youtubenden Pfarrer*innen und Christenmenschen, und zwar nicht erst seit gestern. Diese Leute in ihrer jeweiligen Art und Weise vorbehaltlos zu unterstützen, fällt einer institutionengelenkten Kirche aber immer noch schwer, auch wenn diese Wände langsam bröckeln.

Anfragen daran, was und wie man denn glauben soll, gehen an diese Menschen direkt. Das erlebt auch unser evangelisch.de-Pfarrer Frank Muchlinsky jeden Tag. Jüngstes Beispiel ist der Blogeintrag von @hanseanja über ihren Beitritt zur evangelischen Kirche – ein eindrückliches Beispiel, wieso diese offenen, menschlichen Präsenzen online gut für die Kirche sind. Die wiederum muss akzeptieren, dass es Menschen gibt, deren Aufgabe und Lebensinhalt es ist, einen Aspekt von Kirche zu repräsentieren, ohne durch ein Dienstverhältnis hundertprozentig kontrollierbar zu sein.

Es kommt aber noch ein viertes Gleis dazu. Das ist, was die EKiR jetzt testet, und womit sich auch die neu gegründete Stabsstelle Digitalisierung im Kirchenamt befasst. Es ist die technische Lösung, die erst hochskaliert auf alle Glieder der Kirche ihre Wirkung richtig entfalten kann. Dazu braucht es aber Menschen, die diese Wirkung verstehen. Sie müssen keine Pressesprecher, Journalisten oder IT-Spezialisten sein. Nach der Social-Media-Managerin kommt die Digital-Knowledge-Managerin.

Nicht jede Anfrage den Pfarrerinnen aufbürden

Es müssen Menschen sein, die verstehen, wie alles, was man über die Kirche wissen kann, seinen Weg in die von automatisierten Prozessen befüllten Informationsnetzwerke findet. Solche Leute müssen die Mosaiksteinchen zusammensetzen, die zusammen erst ein Gesamtbild ergeben, was Kirche (und Glaube) eigentlich ist. Der Gottesdienst-Termin, die Fürbitten der Gemeinde, der Kollektenzweck, die Eine-Welt-Arbeit, die Chorprobe, der Patenschein, das Denkmalschutzprojekt, das Orgelpfeifen-Fundraising, das Vaterunser, wie war noch mein Passwort für die Termindatenbank, was bedeutet das Glaubensbekenntnis, wie finde ich Erlösung, wann und wo kann ich kirchlich heiraten, gibt es Parkplätze am Gemeindehaus und ein Leben nach dem Tod?

Das kann man nicht alles den Pfarrer*innen vor Ort aufbürden, die für Kasualien, Gottesdienst, Seelsorge und sonstiges Geistliches ausgebildet werden. Sie können nicht das Ziel jeder (Google-)Anfrage sein. Der Info-Service der EKD ist dafür schon ein Segen, aber von dort strahlt das gesammelte Wissen noch nicht ins weltweite Wissensnetz – und auch die Kolleginnen und Kollegen dort wissen zwar viel, aber nicht alles.

Gemeinsam wissen alle Christenmenschen gemeinsam aber alles, was es über die evangelische Kirche zu wissen gibt. Irgendjemand weiß garantiert, ob die vierte Kirchenbank von vorne in der Marienseer Klosterkirche an beiden Enden eine Induktionsschleife hat.

Die Herausforderung ist, dieses Wissen an die Fragenden zu bringen. Was die EKiR mit Yext beginnt und die EKD mit "Kirche bei dir" sammeln will, sind die nächsten Schritte dafür. Fertig ist die #DigitaleKirche damit aber noch lange nicht.

Das war's von mir für diese Woche - vielen Dank für's Lesen und Mitdenken!


Im Blog Confessio Digitalis schreibe ich meine Beobachtungen, Links und Interviews zu den Themen Digitalisierung, Digitale Kirche und digitalisierte Welt auf. Ich bin erreichbar auf Twitter als @dailybug.

P.S.: Leser*innen haben mich darauf hingewiesen, dass "Digitalis" auch der Name der Fingerhut-Pflanzen ist, die zu Gift verarbeitet werden können. Das lässt den Blogtitel "Confessio Digitalis" natürlich ein bisschen fies klingen. Andererseits behandelt man mit Digitalis-Präparaten auch Herzprobleme. Und dass das digitale Herz der Kirche besser schlägt, ist mir ein Anliegen. Deswegen lasse ich den Namen des Blogs so - nehmt es als Präparat!

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