Die Traditionsverbundenheit der Engländer ist bekanntlich sprichwörtlich. Ob es die berühmte cuppa tea ist (selbstverständlich mit Milch), der Linksverkehr, das Britische Pfund Sterling, die imperial measurements wie Meile, Fuß, Pint und Unze oder das Schlangestehen an der Bushaltestelle – nie würden die Briten freiwillig darauf verzichten. "Neumodische" Erfindungen haben es hier mitunter schwer, erst recht, wenn sie "aus Europa" kommen. Wobei man sich offenbar selbst nicht zu Europe zählt – wenn Engländer aufs europäische Festland fahren, sagen sie, dass sie "nach Europa" reisen.
Kein Wunder also, dass sich der im 19. Jahrhundert von dem Hamburger Theologen und Erzieher Johann Hinrich Wichern erfundene Adventskranz in Großbritannien nie durchgesetzt hat. Seit der Hochzeit von Königin Victoria mit dem Deutschen Albert von Sachsen-Coburg und Gotha im Jahr 1840 hielt zwar der Weihnachtsbaum Einzug auf der Insel, aber ansonsten ist Tannengrün als Symbol für die (Vor-)Weihnachtszeit nicht sehr verbreitet.
Stattdessen hält man sich hierzulande bei der Weihnachtsdekoration bis heute an Stechpalmen, im Englischen holly genannt. Schon in vorchristlichen Zeiten verwendeten die Kelten das Immergrün mit den glänzend-dunkelgrünen Blättern und den tiefroten Beeren, die im Winter reif sind, zum Schmücken von Haus und Hof. Allerdings war Ilex damals nicht so sehr wegen seiner Farben, sondern wegen seiner stacheligen Blätter bliebt – sie sollten böse Geister und andere Unholde fernhalten, die vor allem in den Wintermonaten unterwegs waren.
Vielleicht haben sie ja auch gehofft, dass die Bösewichter von den Beeren naschen, denn die sind giftig. Haustiere und kleine Kinder sollte man deshalb besser fernhalten. Für Vögel dagegen sind die Beeren (die allerdings nur auf den weiblichen Bäumen wachsen) ein willkommenes Winterfutter, und das dichte Laub schützt sie vor harschem Wetter, die pieksenden Dornen vor Fressfeinden, auch zur Brutzeit im Frühjahr. Stechpalmen vertragen auch Trockenheit, sie wachsen schnell und können gut in From geschnitten werden.
Viele gute Gründe also, die stacheligen Bäume im Garten wachsen zu lassen. Als Weihnachtsdeko im Haus bevorzuge ich aber Tannengrün. Schließlich bin ich keine Engländerin.