Wir erwarten ein Baby. Nicht unser eigenes, sondern das unserer Freunde. Seit einer Woche sind wir in Rufbereitschaft. Auch nachts liegen unsere Telefone jetzt neben dem Bett. Mit Vibrationsalarm. Jeden Tag kann es so weit sein. Wir sind keine Geburtshelfer, aber wir sind Wahlverwandte. Paten. Wenn unsere Freunde ins Krankenhaus fahren, um ihr zweites Kind zur Welt zu bringen, dann werden wir auf ihre erstgeborene Tochter Acht geben. Ihren Schlaf bewachen, Frühstück machen, die Wartezeit vertreiben. Denn die Herkunftsfamilien unserer Freunde leben hunderte Kilometer weit entfernt. Bis sie da wären, würde zu viel Zeit vergehen. Und deswegen springen wir ein, sind zur Stelle, erwarten mit ihnen dieses neue Leben. Dieses Wunder.
Wir ersetzen damit nicht ihre Familie, wir erweitern sie nur. Wir teilen Lebensraum, Alltag und Nachbarschaft miteinander. Und gerade sind wir gemeinsam guter Hoffnung.
Damit leben wir ein sehr altes und zugleich neues Modell. Alt, weil wir da sind. Als Wegbegleiter und Wegbereiter. Neu, weil wir das tun, obwohl wir keine Blutsverwandten sind.
Wenn heute ein Kind geboren wird, ist es nicht nur eine riesige Herausforderung, eine Hebamme zu finden, die Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett betreut, es ist auch nicht mehr selbstverständlich, von Müttern, Tanten, Schwestern und Cousinen umgeben zu sein, die das alles schon mal erlebt haben und gemeinsam das Kind schon schaukeln werden.
Das ist eine Tatsache, die unsere Freundschaften verändert. Wir sind uns näher. Unsere Bindung geht übers Biertrinken, Yogamatte-Teilen und gelegentliche Telefonate hinaus. Wir sind da füreinander, wenn es wirklich drauf ankommt. Sorgen uns umeinander. Halten zueinander. In guten und in schlechten Zeiten. Wenn ein Kind geboren wird und auch, wenn eines stirbt. Beides haben wir schon erlebt.
Im Buch der Sprüche gibt es den Satz: „Ein Freund steht allezeit zu dir, auch in Notzeiten hilft er dir wie ein Bruder.“ (Sprüche 17,17 Gute Nachricht Bibel) Ich würde das auch um die Freudenzeiten erweitern. Und um die Schwestern. Wir sind da. Als Freunde, Wahlverwandte, Wunsch-Geschwister. So Gott will: allezeit. Und wenn jetzt das Telefon klingelt, mit der Nachricht: „Das Baby kommt!“ – dann sowieso.