Heute Morgen wurde ich von Vogelgezwitscher geweckt. Um 7 Uhr. Die Welt schien bereits in Erwartung eines neuen Tages zu sein, die Dunkelheit der Nacht stahl sich langsam davon. Erstes Morgenlicht blitzte zwischen den Schlafzimmervorhängen hindurch und irgendwo in einem der Bäume nahe unserem Haus hieß ein Vogel den Tag willkommen. Ich hörte ihn durch das geöffnete Fenster und musste lächeln. Noch etwas schlaftrunken, aber irgendwie angesteckt von seinem fröhlichen Tirilieren. Denn er weckte in mir eine Ahnung von Frühling. Zu früh, würden Meteorologen und Ornithologen wohl zu Recht sagen. Genaugenommen befinden wir uns Anfang Februar noch mitten im Winter. Auch darüber dachte ich nach, während ich mich noch einmal kurz auf die Seite drehte. Aber noch etwas anderes kam mir zwischen Schlafen und Wachen in den Sinn: Dieser Vogel erschien mir wie ein Vorbote. Ein Frühaufsteher. Einer, der es nicht mehr erwarten konnte, sein Lied anzustimmen und damit eine langersehnte Zeit einzuläuten. Einen geradezu paradiesischen Zustand.
Und vielleicht war es der frühen Stunde oder dem langsamen Abschiednehmen vom warmen Bett geschuldet, aber ich musste an die Ewigkeit denken. An Auferstehung und Himmelreich. An schon jetzt und noch nicht. Das tue ich nicht alle Tage. Meist bin ich mehr mit dem irdischen Leben beschäftigt, als mit dem jenseitigen. Aber manchmal geschehen Dinge, und auf einmal rückt die Endlichkeit des Lebens stärker ins Bewusstsein. Und vor allem die Frage: Was geschieht danach?
Wenn eine Krankheitsdiagnose gestellt wird – mit ungewissem Ausgang. Wenn ein geliebter Mensch stirbt. Oder, wenn man selbst sprichwörtlich "dem Tod von der Schüppe springt". Bei einem Verkehrsunfall zum Beispiel. Dann ist der Tod plötzlich greifbarer. Nicht verhandelbar, sondern unmittelbar da. Und oft bleibt dann kaum Zeit, sich nochmal Gedanken zu machen, über's Leben und Sterben.
Doch heute Morgen war das anders. In meinem Bett, geschützt wie in einem Kokon, fühlte sich der Tod weit weg an. Keine Spur von Endlichkeit, wenn das Tageslicht sich über die Welt ergießt und Vögel singen. Und vielleicht gerade deswegen, die beste Gelegenheit, das, was Theologen „eschatologischen Vorbehalt“ nennen, ins Leben zu lassen. Dieses „schon jetzt“ und „noch nicht“. Ein Stück vom Paradies auf Erden. Den Vorgeschmack auf den Himmel. Das Reich Gottes mitten unter uns. Schon jetzt. Was mit Jesus Christus begonnen hat, dürfen wir Christen weiterführen, aber das letzte Wort wird Gott haben. Manches bleibt verborgen, geschieht „noch nicht“. Und das ist mehr als okay so.
Ich versuche das heute, will dieses „schon jetzt“ schätzen. Den Tag, das Leben, die Menschen um mich herum. Mit der Ahnung von Frühling, mitten im Winter. Und mit der Gewissheit: Alles hat seine Zeit. Auch das "noch nicht".
Heute ist vielleicht noch nicht aller Tage Abend. Aber ein neuer Morgen ist längst da. Gott sei Dank.