Johann Sebastian Bach. In evangelischen Kreisen irgendwie so was wie ein Musik-Heiliger. Für mich nochmal ganz besonders, denn als Windsbacher besuchte ich in meiner Jugendzeit das Johann-Sebastian-Bach-Gymnasium, Heimat unter anderem auch des Windsbacher Knabenchors, des „weltberühmten Chors, den keiner kennt“. Wobei Winds-Bach nun eigentlich ursprünglich nichts mit Johann-Sebastian-Bach zu tun hat, aber na ja.
Damals, da konnte ich beispielsweise die Flötensonate g-Moll (BWV 1020) sowohl auf Querflöte als auch die durchaus anspruchsvolle Klavierbegleitung auswendig spielen – leider nicht beides gleichzeitig, was manchmal hilfreich gewesen wäre. Im Schulorchester spielten wir Bach, führten Bach-Werke gemeinsam mit dem Knabenchor auf. Das Weihnachtsoratorium hörte ich nicht nur voller Genuss zu Weihnachten, sondern auch im August als Stühleschlepper und Mädchen für alles bei der Ansbacher Bachwoche. Schon oft habe ich mich gefragt, was JSB zu der Musik unserer Zeit sagen würde, wenn er plötzlich auf dem leeren Beifahrersitz meines Autos aufploppen würde, während gerade das Radio dudelt. Würde er sie fürchterlich finden? Oder etwas Neues, eigenes daraus machen?
Ich muss gestehen, ein bisschen habe ich ihn aus den Augen verloren – oder besser gesagt: Aus den Ohren. Erst vor kurzem las ich aber das Buch des niederländischen Autors und Bach-Fans Maarten ´t Hart, das mich dazu brachte, wieder mehr Bach zu hören. (Kleine Anekdote am Rande: Im Satz „In de eerste jaren dat ik orgelles had“ hielt ich beim Drüberlesen „orgelles“ für eine Kinderkrankheit, aber es heißt natürlich nicht or-gelles mit Betonung auf dem ersten e, sondern orgel-les, Orgel-Stunde. Also: In den ersten Jahren, dass ich Orgelstunde hatte – nicht irgend einen Ausschlag)
Na ja, und als evangelischer Pfarrer ist man irgendwie sowieso mehr oder weniger verpflichtet, Bach-Fan zu sein. Schließlich hat er uns wirklich ganz großartige Werke hinterlassen und die evangelische Musikkultur damit geprägt und so. Zu praktisch jedem Sonntag im Kirchenjahr gibt es mindestens eine Bach-Kantate. Aufgelistet in – oh Wunder der neuzeitlichen Technik – Bachipedia.
Was liegt da näher, als beides zusammenzubringen? Seit dem 1. Advent des Kirchenjahres 2024/2025 finden wir nun auf www.kirchenjahr-evangelisch.de nicht nur die üblichen Infos zum jeweiligen Sonntag, also Lesungen, Wochenlied und eventuell ein paar Gedanken zum Thema des Sonntags. Sondern, soweit es eine Aufnahme davon gibt, auch die Bachkantate zum Anhören. Mit wunderbarer Unterstützung der Bach-Stiftung St. Gallen. Mag sein, dass das irgendwie etwas antiquiert ist. Ich finde das toll.
Was wohl Johann Sebastian Bach dazu sagen würde, dass seine Musik Jahrhunderte nach seinem Tod jederzeit auf Abruf aus so seltsamen Geräten klingen kann? Oder gar auf magische Weise direkt im Ohr? Ach, manchmal würde ich mich wirklich gerne mit ihm unterhalten. Vielleicht wird das dereinst im Jenseits ja möglich sein. Bis dahin erfreue ich mich an der Kantate zum 1. Advent, „Nun komm der Heiden Heiland“, BWV 62.
Einen schönen, erfüllten Advent – egal, ob sie ihn musikalisch lieber mit „Last Christmas“ oder mit Bach verbringen!