Mit einer Sonderausstellung informiert das Krankenhaus-Museum in Bremen über ein lange verschwiegenes Kapitel der NS-Geschichte - über Kinder aus verbotenen Beziehungen zwischen Deutschen und Kriegsgefangenen oder Zwangsarbeitern. Die Dokumentation unter dem Titel "Trotzdem da!" entstand in der niedersächsischen Gedenkstätte Sandbostel und ist ab 23. März in Bremen zu sehen. Später im Jahr macht sie in Köln, Hamburg-Neuengamme und Berlin Station.
Während der Zeit des Nationalsozialismus waren freundschaftliche und intime Kontakte zwischen Deutschen und Kriegsgefangenen oder Zwangsarbeitern unerwünscht, zum Teil streng verboten. "Doch sie sind trotzdem da - die Kinder, die aus solchen Beziehungen hervorgegangen sind", heißt es in der Vorschau des Krankenhaus-Museums. Ihre Geschichte sei lange tabuisiert worden. Das Schlimmste an solchen Beziehungen waren aus Sicht der Nazis "GV-Verbrechen" - "Geschlechtsverkehr-Verbrechen". Besonders schwer wog der sogenannte "Kriegsehebruch": wenn ein Wehrmachtssoldat, der an der Front war, betrogen wurde.
"Bei freundschaftlichen oder intimen Kontakten mit Deutschen konnten beiden Seiten hohe Strafen drohen", sagt Andreas Ehresmann, Leiter der Gedenkstätte in Sandbostel. "Sie reichten von Gefängnisstrafen über die Einweisung in ein Konzentrationslager bis zur Todesstrafe. Dennoch wurden Kinder aus solchen Beziehungen geboren."
Die Ausstellung, die bis zum 25. Mai in Bremen gezeigt wird, ist das Ergebnis eines Forschungsprojektes, das mit Bundesgeldern gefördert wurde. So konnten mehr als 20 Kinder aus verbotenen Beziehungen aus Deutschland, Österreich und den Niederlanden ausfindig gemacht werden. Auf der Website www.trotzdemda.de werden die Inhalte der Dokumentation mit Biografien, dem historischen Hintergrund und Informationen zum Projekt dokumentiert.
Es geschah auf dem Bauernhof
Diskriminierung, Scham und mangelndes Wissen über die eigene Herkunft führten dazu, dass nur wenige der Kinder später mit ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit traten. Einer der Betroffenen, sagt Ehresmann, habe die Quintessenz des Forschungsprojektes knapp so formuliert: "Ich bin nicht mehr allein mit meinem Schicksal."
Zu denjenigen, die mit ihrer Geschichte offen umgingen, gehört Gerd A. Meyer, der heute 79 Jahre alt ist. Sein Vater, Anatolij Michailowitsch Pokrowskij, wollte eigentlich studieren, als die deutsche Wehrmacht im Juni 1941 die Sowjetunion überfiel. Der damals 19-jährige Russe wurde zum Militär eingezogen und geriet schon kurz darauf in Kriegsgefangenschaft. Er kam in das NS-Lager in Sandbostel und wurde von dort mit einem Arbeitskommando auf einen Bauernhof geschickt. Dort verliebten sich Anatolij und die Tochter des Landwirtes.
"Der gesellschaftliche Druck war groß, meine Mutter hat das lange verdrängt, das war wie eingekapselt", sagt Gerd A. Meyer aus Radbruch bei Lüneburg im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst. Doch bei ihm wuchs der Wunsch, etwas über seine Wurzeln zu erfahren, genau zu wissen, wer sein Vater war - und wer er selbst ist. In der Dokumentationsstelle der Stiftung Sächsische Gedenkstätten in Dresden entdeckte er den entscheidenden Hinweis auf den Nachnamen seines Vaters. Bald darauf fand er die Familie von Anatolij, die in Semetschino lebt, einer kleinen Stadt bei Moskau.
Auch Friedrich Buhlrich war eines dieser Kinder. Er wuchs bei Adoptiveltern in Bremen-Gröpelingen auf. Im Alter von 21 Jahren hat er erfahren, dass er das Kind einer Deutschen und eines ehemaligen polnischen Zwangsarbeiters ist. Noch später fand er heraus, dass er in seiner Adoptivfamilie drei Geschwister hatte, die den Nationalsozialismus nicht überlebten. Sie wurden als Kinder im Zuge der sogenannten "Euthanasie" ermordet. Friedrich Buhlrich begann ihre Geschichte zu recherchieren, ist seitdem als Zeitzeuge in zahlreichen Schulen in Bremen und Niedersachsen aktiv und berichtet von seiner Familiengeschichte.