Familienausflug – ins Krematorium

Tag der Offenen Tür
Familienausflug – ins Krematorium
Freiwillig ein Krematorium besuchen? Irre oder gute Idee?

Haben Sie nächstes Wochenende schon was vor? Sollten Sie in der Nähe von Koblenz wohnen, hätten wir da einen ganz schnuckeligen Ausflugstipp für die ganze Familie! Tag der Offenen Tür. Allerdings, ähm, nun ja: Im Krematorium. Was eigentlich auch total gut passt. Denn wie würde man „Tag der Offenen Tür“ am naheliegendsten abkürzen? Genau: TOT.

Nun hoffen wir natürlich, dass Sie am 3. September noch unter den Lebenden weilen. Wie schon in den Vor-Corona-Jahren, öffnet an diesem Tag das Rhein-Taunus-Krematorium seine Pforten für Neugierige.

Es tut mir Leid, aber da geht meine Phantasie dann doch ein wenig mit mir durch. Wie das wohl aussehen mag? Zarte Gemüter sollten hier vielleicht liebr nicht weiterleisen, aber ... Schon mal probeliegen im Sarg? Oder eher so eine Art Geisterbahn, nur ohne Rummel? Ein Gästeführer, der in meiner Vorstellung so aussieht wie der etwas verrückte Gefängniswärter in „Das Leben des Brian“ („Ich weiß, wo man es kriegen kann, wenn Sie es haben wollen“), schlurft voran, sperrt hier eine Zelle auf und dort. Der fast kopflose Nick schaut vorbei und sieht neidisch zu, wie Hui Buh seinen Kopf in die Blaubeersuppe schmeißt. Draußen auf dem Vorplatz sitzt Wednesday Addams lustlos in der Hüpfburg und wartet auf bessere Zeiten. An einem Bunsenbrenner können sich ganz Wagemutige schon mal probeweise eine Fingerspitze verbrennen. Bratwurstduft zieht durch die Gänge, was irgendwie unpassend scheint, andererseits wollen die vielen Gäste ja auch verköstigt werden.

Ach nein, in Wirklichkeit ist es wohl tatsächlich eine ziemlich gute Idee. Offenbar kommen viele Angehörige von Verstorbenen vorbei, die gerne wissen möchten, wie die letzte Reise von Opa, Oma oder Tante aussah. Bestattungsunternehmen informieren über Gestaltungsmöglichkeiten. Die technischen Anlagen zu sehen, dürfte sicher für viele faszinierend sein – Verstorbene sind aber definitiv keine zu sehen.

Ein Ausflug für die ganze Familie? Vermutlich keiner, den viele frohen Herzens machen. Aber ja, ich glaube: Es wäre gut, wenn wir uns alle mehr damit beschäftigen würden, dass wir irgendwann sterben werden. Und wie das dann aussieht. Was in so einem Krematorium geschieht – und welche anderen Möglichkeiten der Bestattung es gibt.

Offenbar gibt es viele, die diese Möglichkeit tatsächlich wahrnehmen: Den ganzen Tag über gibt es ungefähr einstündige Führungen, sogar mehrere gleichzeitig. Also – gehen Sie vielleicht doch mal hin. Auch, wenn es sicherlich nicht das fröhlichste aller möglichen Ziele ist. Und grüßen Sie Nick von mir.


 

weitere Blogs

Warum Weihnachten hinter einer Mauer liegt und was sie überwinden kann.
G*tt ist Körper geworden. Was für eine Gedanke! Birgit Mattausch geht ihm nach.
Heute erscheint der sechste und vorerst letzte Beitrag unserer Themenreihe Polyamorie. Katharina Payk fragt: Wo kommt Polyamorie im Kontext von Kirche und Pfarrgemeinde vor?