Wir hier in Bayern (und Baden-Württemberg) sind ja ferientechnisch in der glücklichen Lage, schon über Pfingsten zwei Wochen Ferien zu haben. Gefühlt ganz Süddeutschland macht sich dann auf den Weg durch die Alpen Richtung Italien und Kroatien, alle auf einmal, denn wir haben ja nur zwei Wochen Zeit. Hat man sich dann mal durch gefühlt 25.000 Kilometer Stau gequält, ist es natürlich auch eine schöne Sache, klar. Noch nicht ganz so heiß, noch nicht ganz so überlaufen, ist Italien im Mai einfach erholsam und wunderschön.
Leider, leider hat der Tipp, den ich kurz vorher gelesen hatte, nicht so ganz funktioniert: „Für einen flachen Bauch nur flache Sachen essen. Zum Beispiel Pizza“. (eine ganz eigene Kategorie von „Flachwitz“ gewissermaßen.) Im Selbstversuch kann ich leider nur sagen: Hat nicht geklappt. War wohl der falsche Tipp. Aber es hat wenigstens geschmeckt.
Nun ok, irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem ich mich mit meinem eigenen Gewicht nicht so hundertprozentig wohlfühle. Insbesondere nach einem derart, wie soll ich sagen, pizzabetonten Urlaub. Also: Halten wir es mit Johannes dem Täufer, der zwar laut biblischer Überlieferung eher eine hagere Erscheinung war, aber dennoch verkündete: „Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen“ (Joh 3,30). Vielleicht hat er das ja auch irgendwie anders gemeint, aber an Telefonhörer kann er beispielsweise noch nicht gedacht haben, denn die waren damals noch nicht erfunden.
Nun, da wir schon mal im christlichen Kontext sind: Wie wäre es mit „Gewichtsverlust mit Gottes Hilfe“? So heißt tatsächlich ein Buch, das Sie käuflich erwerben können. „Das bewährte 21-Tage-Abnehm-Bibelstudium“ lautet der Untertitel. Herbie Kuhn, ein offenbar recht bekannter kanadischer Stadionsprecher für die Toronto Raptors (sorry, nie gehört), Sportseelsorger und nach eigenen Angaben „Impulsredner“ hat mit Impulsgeschwindigkeit ein Vorwort verfasst. Preiset den Herrn! (Zitat)
Die Einführung durch die Autorin Cathie Morenzy stellt schon mal eine nicht ganz unintelligente Frage: „Wie kommt es, dass wir die Macht und Autorität erhalten haben, Dämonen auszutreiben, aber wir können uns nicht davon abhalten, ein Stück Schokolade zu essen?“ Dann zitiert sie eine Studie, die zu dem Ergebnis kam, dass in den USA bzw. Kanada Kirchgänger im Schnitt übergewichtiger sind – und vermutet, dass das an den vielen Brunches und Zusammenkünften nach dem Gottesdienst liegt. Eine interessante These, der wir doch mal auch für Deutschland nachgehen sollten: Macht Beten dick?
Gleichzeitig soll nun aber das Gebet der Schlüssel zur Bekämpfung der gebetsinduzierten Gewichtsprobleme sein. Aber ohne Installation einer bestimmten App hilft das Gebet offensichtlich auch nicht. Steht so im Buch.
Ich muss gestehen: Ich habe es nicht über mich gebracht, für dieses Buch tatsächlich Geld auszugeben. Daher habe ich nur den Teil gelesen, den mir das große Versandhaus mit dem A als „Blick ins Buch“ zur Verfügung gestellt hat.
Mein Eindruck aus diesem Teil ist: Es handelt sich eigentlich um eine ziemlich klassische Abnehm-Methode. Dass Sie aber zu „täglichen Geständnissen“ aufgefordert werden, gibt dem Ganzen eine gewisse religiöse Überhöhung. Gleichzeitig ist das Ganze vermischt mit „missionarischen“ Elementen, etwas der Aufforderung, sein Leben Jesus zu übergeben.
Religiöses schlechtes Gewissen zur Erreichung bestimmter Ziele, die mit Religion überhaupt nichts zu tun haben: Nein, das scheint mir nicht der richtige Weg zu sein.
Ich finde: Unser Glaube sollte etwas befreiendes sein. Er sollte uns frei machen von schlechtem Gewissen, von dem Gedanken, dass es eine „Sünde“ ist, mal Schokolade zu genießen.
Wir dürfen und sollen unser Leben genießen, das uns von Gott geschenkt wurde. Vergnügt, erlöst, befreit, wie Hanns-Dieter Hüsch es formulierte. Natürlich sollen wir dabei nicht über die Stränge schlagen (jedenfalls nicht auf Dauer). Das tut uns nicht gut – und der Erde auch nicht, die von unserem Leben im Überfluss ganz schön gebeutelt ist, wie wir auch anhand der katastrophalen Trockenheit in unseren Urlaubsland erkennen mussten. Aber genießen, das ist in Ordnung. Wirklich. Sich selbst kasteien dagegen halte ich für den falschen Weg. Zur Freiheit hat uns Jesus befreit – und nicht dazu, sklavisch irgendwelchen Abnehmbotschaften und dazu passenden Apps zu folgen, die irgendwie religiös aufgeladen wurden.
Was nicht heißen soll, dass jede Diät schlecht ist. Wer für die eigene Gesundheit Sorge tragen will, der oder die wird wohl auch mal die eine oder andere Sache ausprobieren. Vielleicht sogar die Methode aus diesem Buch. Und vielleicht hilft sogar mal ein Gebet dabei „Gott, hilf mir, jetzt konsequent zu bleiben“ oder so. Warum denn auch nicht? Aber „tägliche Geständnisse“, was ich heute wieder falsches gegessen habe, was ich genossen habe? Also, ich jedenfalls brauche das nicht.
Rein vom Titel her gefällt mir da ein anderes Buch von Cathy Morenzy schon besser, auch wenn ich fürchte, dass es inhaltlich nicht viel anders sein wird: „Love God, Lose Weight. Freedom from emotional eating, overeating and self-sabotage by accepting God’s love“. Auch wenn mir diese Verbindung von Abnehmprogramm und Glauben weiterhin fremd ist, klingt zumindest der Titel „befreiender“.
Was mich an dem Buch aber darüber hinaus wirklich ärgert, ist die sagenhaft schlechte Übersetzung mit geradezu grauenhaften sprachlichen Fehlern. Hier hat ganz offensichtlich niemand Korrektur gelesen. Das Fängt Schon Bei Der Amerikanischen Art An, In Überschriften Jedes Wort Groß Zu Schreiben (aber Auch Nicht ganz Konsequent). Und hört bei Überschriften wie „Vermeidung von Rokrastrination“ und „Denprozess Verstehen“ nicht auf. Bereits auf der Titelseite stehen nach dem schon genannten Titel und Untertitel noch folgende Wörter, deren Sinn mir nicht wirklich klar wird:
Abnehmen fürs Leben
Vertiefe deinen Glauben
Ende überwältigen
und zweifeln
Ein missglückter Haiku? Moderne Lyrik? Wie kann ich das Ende überwältigen? Oder soll es heißen „beende die dich überwältigenden Zweifel“? Es bleibt unklar, was uns die Autorin damit sagen möchte. Erst ein Blick auf die englischsprachige Ausgabe („end overwhelm and doubt“) schafft hier Klarheit und lässt vermuten, dass hier eher eine automatische Übersetzungssoftware die Finger im Spiel hatte.
Gut, auch in diesem Blog gibt’s schon mal ein, zwei flüchtige Schreibfehler, das kommt vor. Hier kann ich mich aber des Eindrucks nicht erwehren, dass ein in Amerika halbwegs erfolgreiches Buch ziemlich schlampig ins Deutsche übersetzt wurde. Der Name eines Übersetzers oder einer Übersetzerin wird jedenfalls nicht angegeben.
Auch wenn das Buch bei dem großen A bei immerhin zehn „internationalen Bewertungen“ 4,2 von 5 Sternen erhalten hat: Ich kann es Ihnen nicht guten Gewissens empfehlen. Essen Sie lieber eine Pizza. Genießen Sie es! Gott jedenfalls liebt Sie auch mit weniger flachem Bauch. Garantiert!
Cathy Morenzie: Gewichtsverlust, mit Gottes Hilfe: Das bewährte 21-Tage-Abnehm-Bibelstudium (Gesund Durch Design). Taschenbuch, 176 Seiten,? Guiding Light Publishing 2021, ISBN 978-1-9900-7807-1