Traut euch! Aber nicht so schnell!

Traut euch! Aber nicht so schnell!
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Bride and groom are holding each other's hands during church wedding ceremony
In Bad Neustadt musste die Polizei eine „wilde“ Trauung verhindern

Die Meldung erscheint uns heute angesichts von massiven Corona-Einschränkungen wie aus der Zeit gefallen, doch wollte ich Ihnen diese schöne Story nicht vorenthalten, auch wenn sie sich schon Anfang Dezember im fränkischen Bad Neustadt zugetragen hat.

Dort erschien plötzlich ein schwer verliebtes Paar im Pfarramt. Beide hatten offenbar – ganz biblisch nach Apostelgeschichte 2,13 – schon ordentlich dem Allohol zugesprochen, der ihre gegenseitig Zuneigung möglicherweise noch verstärkt hatte. Jedenfalls, sie wollten heiraten, jetzt auf der Stelle, und dazu klingelten sie beim (katholischen) Pfarrer.

Und der kam, typisch deutsch echt, mit diversen Vorschriften und warum das alles jetzt nicht so geht wie in Las Vegas, also nix mit „jetzt sofort“ und spontan. Denn siehe, in Deutschland ist das alles fein säuberlich geregelt mit diversen Unterlagen, Standesamt und allem Pipapo. Da kannst du nicht einfach ins Pfarramt rennen, der Pfarrer (katholischerseits nun ziemlich sicher keine Pfarrerin) sagt „Amen“ und „Sie dürfen die Braut jetzt küssen“ und schon seid ihr Mann und Frau. Oder auch Frau und Frau oder Mann und Mann, dann aber wohl eher in der evangelischen Kirche und auch da nicht überall, dafür aber möglicherweise auch mit Pfarrerin.

Nein, in Deutschland ist das alles ganz genau geregelt. Seit 1. Januar 1876 gilt das sogenannte „Verbot der kirchlichen Voraustrauung“ (§ 67 des Personenstandsgesetzes (PStG)). Sprich: Erst Standes-, dann Pfarramt. OK, wenn wir ganz genau sind, ist dieses Verbot eigentlich seit 2009 aufgehoben, die großen christlichen Kirchen halten sich aber dennoch daran, denn sie finden das (grob gesagt) eigentlich ganz richtig so, dass der Staat erst mal prüft, ob die Voraussetzungen überhaupt gegeben sind. Seit 2017 gibt es jedoch wieder eine Einschränkung der Aufhebung, sofern eine beteiligte Person das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

Nun ja, erzählen sie das mal einem unbedingt heiratswilligen deutlich bedüdelten Liebespaar, das von Herzen darauf brennt, wie in jedem schnulzigen Liebesfilm jetzt sofort die Worte zur hören „… erkläre ich euch hiermit zu Mann und Frau“ (die, das nur nebenbei, ebenso wenig in unserer Liturgie vorkommen wie „Sie dürfen die Braut jetzt küssen“)

Na ja, kurz gesagt: Statt wilder Ehe wurde es ein wilder Trauungsversuch.. Ein spontaner Polizeieinsatz im Pfarramt war nötig. Es gab wohl noch ein wenig Diskussion, aber die beiden „zogen letztlich unverheiratet von dannen“, wie es im Polizeibericht heißt.

Aber wo wir schon bei 1876 und ein wenig Rechtsgeschichte sind: Es hätte ja nach dem alten Recht durchaus die Möglichkeit bestanden, auch ohne Standesamt eine Trauung durchzuführen. Gewissermaßen eine Not-Trauung, so wie es ja unter besonderen Umständen auch die Möglichkeit einer Nottaufe gibt. An dieser alten Regelung merken wir wohl besonders, wie sehr sich manche Vorstellungen verschoben haben. Das Verbot gilt, „es sei denn, dass einer der Verlobten lebensgefährlich erkrankt und ein Aufschub nicht möglich ist oder dass ein auf andere Weise nicht zu behebender schwerer sittlicher Notstand vorliegt, dessen Vorhandensein durch die zuständige Stelle der religiösen Körperschaft des öffentlichen Rechts bestätigt ist.“

Sittlicher Notstand? Kurz gesagt: Stellen Sie sich vor, Sie leiten als Pfarrer(in) einen Ausflug junger Erwachsener, erleiden Schiffbruch und landen mit der ganzen Gesellschaft auf einer einsamen Insel. Und nun verlieben sich zwei aus der Gruppe so unendlich ineinander, dass die Natur, nun ja, ihren Lauf nimmt. Irgendwas mit Vögelchen oder Bienchen und Blumen steht im Raum und ist quasi nicht mehr aufzuhalten. Aber sie sind ja nicht verheiratet! Das darf natürlich auch keinen Fall passieren. Moralische Verwerfungen auf einer kirchlichen Freizeit! Dann doch lieber schnell eine nichtstandesamtliche Nottrauung abhalten, damit alles sittlich seine Ordnung hat und die beiden als trautes Ehepaar miteinander knutschen können, wie es die Moralvorstellungen des 18. Jahrhunderts so vorsehen.

Pärchen notgetraut, alles gut. Sie dürfen die Braut jetzt, ähm, küssen.

Ob sich das Pärchen aus Bad Neustadt mittlerweile ohne Not ordentlich hat trauen lassen oder überhaupt noch zusammen ist, ist uns leider nicht bekannt. Wir wünschen den beiden an dieser Stelle jedenfalls alles Gute.
 

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