Weihnachtserwartungserfüllungsgottesdienste

Weihnachtserwartungserfüllungsgottesdienste

Bald ist heilige Nacht! Chor der Engel erwacht! Und Jahr für Jahr strömen Hunderte von Milliarden von Menschen in die Kirchen, die man dort das ganze Jahr nicht sieht. Ihre Erwartung, so lässt sich vermuten: Was fürs Herz. Irgendwas mit Kerzen, kleinem Kind, stiller Nacht. Und dann heim zum Essen und zur Bescherung. 

Nein, ich nehme es diesen Leuten überhaupt nicht übel, wenn sie nur an Weihnachten kommen. Im Gegenteil: Allen, die sich über die „U-Boot-Christen“ aufregen („tauchen nur einmal im Jahr auf“), gebe ich zu bedenken: Auch wer nur einmal im Jahr in die Kirche geht, geht regelmäßig in die Kirche.

Was aber leider nicht möglich ist: All die vielen verschiedenen Erwartungen an diesen Weihnachtsgottesdienst erfüllen. Im Familiengottesdienst soll es lebhaft zugehen, denn die Kinder können ja nicht die ganzen 7,5 Minuten sitzen bleiben, auf die der Gottesdienst mittlerweile gekürzt wurde. Wenn es aber lebhaft zugeht, versteht man nichts, sieht auch nichts mehr, weil überall Eltern umherirren, die ihre ebenfalls umherirrenden Kinder suchen oder sie aus dem Weihnachtsbaum, wahlweise aus der Krippe klauben, während die kleineren Ausgaben herzhaft in die Windel machen und/oder diverse unartikulierte Laute von sich geben. Auch das Singen von „Ihr Kinderlein kommet“ bringt keine Ordnung in dieses Gewusel. „Stille Nacht“ wird von der Orgel mit vollem Register gespielt, damit überhaupt noch jemand wahrnimmt, dass das Lied gerade dran ist. Und dann, schnell raus! Bescherung! Der Weihnachtsmann kommt! Ach je.

Im etwas späteren Gottesdienst für die gesetztere Gemeinde ist schon eine Stunde vor Beginn kein Platz mehr zu bekommen (was auch daran liegen könnte, dass der Familiengottesdienst noch gar nicht fertig ist.) Die Liedblätter reichen nie, die Mikrofonanlage streikt und überhaupt sind nicht genug Kerzen an den Bänken und es wurde nicht O du fröhliche gesungen oder nicht Stille Nacht. Und außerdem: Schon wieder die gleiche Geschichte wie letztes Jahr und das Jahr davor! Können die nicht mal was Neues bringen? (Dass wir an den diversen Sonntagen über das Jahr verteilt durchaus andere Geschichten auf Lager haben, konnte ich diesem Kritiker, glaube ich, nicht ausreichend vermitteln.)

Und dann erst die Christnacht! Irgendwann um 22 Uhr (zu früh, wir sind noch nicht fertig mit Essen/Bescherung!) oder 23 Uhr (zu spät! Wir wollen ins Bett!) noch ein schnuckeliger Gottesdienst für die Hartgesottenen. Mit 45 Minuten Dauer viel zu lang bzw. viel zu kurz. Außerdem zu viel Musik. Man hätte wirklich mehr Musik spielen können. Eine anständige Predigt wäre schön gewesen, aber sie war ja mit 4 Minuten für den späten Abend viel zu lang.

Ich selber feiere als Pfarrer am liebsten den Gottesdienst am ersten Weihnachtsfeiertag. Ehrlich gesagt: Da kommen meistens nicht so wahnsinnig viele. Ausschlafen und so, Sie wissen schon. Weil's gestern ja so spät geworden ist. („Wir wollten ja wirklich noch in die Kirche, aber um 22:45 waren wir einfach zu müde. Deshalb saßen wir dann noch bis nachts um 3 an der neuen X-Box.“) Aber nach dem ganzen Brimborium vom Vortag einfach mal zur Ruhe kommen. Nochmal die Weihnachtsgeschichte hören. Eine klassische Weihnachtspredigt. Abendmahl feiern in den meisten Gemeinden. Das finde ich schön.

Wo und wie auch immer: Ich wünsche ein frohes Weihnachtsfest und einen richtig schönen Gottesdienst, der all Ihre Erwartungen nicht nur erfüllt, sondern weit übersteigt. Ich wünsche Ihnen, dass Sie etwas von dem Wunder spüren, das wir an Weihnachten feiern: Gottes Sohn ist Mensch geborn!

Ihren Gottesdienst finden Sie übrigens hoffentlich auch unter www.weihnachtsgottesdienste.de

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