Du sollst ein Segen sein

Du sollst ein Segen sein

Stilvoll glauben heißt unser Blog. Das heißt auch: Wie kann unser Glauben unseren Lebensstil beeinflussen, ja prägen? Deshalb möchte ich heute mal – ganz ohne die sonstige Ironie – von einer Frau berichten, deren Lebensstil von dem tiefen Vertrauen auf Gottes Liebe geprägt ist.

96 Jahre ist sie mittlerweile alt, diese Frau. Als Kind hatte sie es schwer, ist in armen Verhältnissen aufgewachsen. Auch der Zweite Weltkrieg und die Zeit danach, als ihr Mann in Gefangenschaft und die Kinder klein waren, waren nicht leicht für sie. Ihr Leben lang hat sie gearbeitet. Ihr Ehering, einst richtig dick, ist bis auf einen kleinen Rest abgescheuert, dünner als mancher Freundschaftsring, den Kinder sich gegenseitig schenken. Vor allem aber hat sie anderen geholfen, wo sie konnte. Mit dem Fahrrad fuhr sie täglich in den Nachbarort, um auf ihre Enkelkinder aufzupassen. Für alle Nachbarn war sie jederzeit da, wenn sie sie brauchten. In der Kirchengemeinde war sie aktiv. Und als ihr Mann nach 60 Jahren glücklicher Ehe krank und pflegebedürftig wurde, pflegte sie ihn hingebungsvoll. Viel sprachen sie vom Sterben und von ihrer Hoffnung, sich eines Tages im Ewigen Leben wiederzusehen. Er starb in ihren Armen, nachdem sie noch ein Vaterunser gemeinsam gebetet hatten.

Zehn Jahre ist das nun her. Und diese Frau, mit 96 Jahren, lässt sich nicht unterkriegen. Jeden Tag nimmt sie ihren „Mercedes“, wie sie ihren Rollator nennt, und läuft damit ins Altersheim, das über einen Kilometer weg ist. Mit viel Humor und Freundlichkeit kümmert sie sich um ihre „Altchen“. Manche sind 20 Jahre jünger als sie. Sie füttert sie, liest Geschichten vor, singt Lieder, betet ganz selbstverständlich mit ihnen. Erst spät abends kommt sie nach Hause und vertraut Gott und ihrem Tagebuch an, was sie heute erlebt hat.

Immer noch ist sie interessiert an dem, was um sie herum geschieht. Nimmt Anteil am Leben „ihrer“ Kirche. Pflegt Kontakte zu Nachbarn, Freunden, selbst nach Amerika, obwohl sie kein Englisch kann. Alle Kinder in ihrer Straße nennen sie „Oma“. Sie braucht bis in den März hinein, um jede Weihnachtspostkarte mit einem persönlichen Brief zu beantworten. Und vergisst natürlich keinen einzigen Geburtstag, Hochzeitstag oder was es sonst noch so an Jahrestagen gibt.

Oft werden Christen ja belächelt, weil sie so einen „Helfer-Tick“ haben. Bei ihr aber ist es irgendwie anders – es wirkt viel natürlicher. Es kommt aus ihrem tiefen Vertrauen auf Gott, dass sie die Liebe, die sie erfährt, gerne weitergibt an andere. Und damit auch ihre Hoffnung. Wie sagte Gott zu Abraham? „Du sollst ein Segen sein“. (1. Mose 12,2) Ja, ich glaube, sie ist ein Segen für viele Menschen geworden. Ist sie eine „aussterbende Art“? Oder können moderne, jüngere Menschen auch so ein Segen sein für andere? Wie könnte das für uns aussehen? Für mich und mein Leben?

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