Da haben sie sich wirklich was tolles ausgedacht, die Leute von Chrismon. Einen Wettbewerb „Gemeinde 2012 – worauf wir stolz sind“. Der erste Preis: Immerhin 5000 Euro. Eine Jury wählt aus den 20 erstplatzierten Gemeinden drei Gewinner aus; dazu kommen noch ein paar Sonderpreise, die unter allen Teilnehmern gewählt werden.
„Gemeinde 2012 – worauf wir stolz sind“.Wie wohltuend es ist, dass wir hier mal unsere Stärken präsentieren können anstatt immer über das zu jammern, was nicht so geht: Darüber hat Mechthild Werner in ihrem wirklich lesenswerten Blog heute schon geschrieben.
Ich möchte auf etwas anderes hinaus. Etwas, das mir erst klar wurde, als ich auch mit „meiner“ Citykirche Schweinfurt an diesem Wettbewerb teilnahm. Denn: So schön es ist, sich zu beteiligen, die Gemeinden durchzuforsten, sich wirklich selbst ein Bild zu machen: Wer tut das schon? Die allermeisten Klicks für die allermeisten Gemeinden, da bin ich mir ziemlich sicher, stammen von den eigenen Gemeindegliedern.
Und schon trennt sich die Spreu vom Weizen. „Meine“ Citykirche beispielsweise ist ja gar nicht darauf ausgelegt, Gemeindeglieder zu „binden“. Sie soll erste Kontaktmöglichkeiten schaffen, in beliebiger, selbst gewählter Nähe und Distanz. Wer soll für diese Einrichtung schon klicken? Und ich meine das überhaupt nicht jammerig, sondern als eine klare Feststellung: Bei einem Wettbewerb, in dem es um möglichst viele Klick-Stimmen geht, haben eindeutig die Gemeinden mit der aktivsten Mitgliederarbeit die Nase vorn. Ohne es jetzt tatsächlich im einzelnen überprüft zu haben.
Und für diese Gemeinden ist so ein Wettbewerb tatsächlich ein Segen. Eine Möglichkeit, die eigenen Mitglieder mit einer sehr einfachen Aufgabe (na ja, abgesehen von der Überwindung des völlig unleserlichen Captchas, also dieser verbogenen Buchstaben) für die Arbeit der eigenen Gemeinde zu begeistern. So stelle ich mir das vor: Im Konfirmandenunterricht werden die Konfis verdonnert, einmal täglich zu klicken. Und natürlich ihre Eltern und, soweit internetfähig, die Großeltern, Tanten, Onkel, Hunde, Katzen und die Fledermäuse unterm Kirchendach. Dann kommt der Kirchenchor dran. Alle sind begeistert dabei, erzählen zu Hause davon. Die Klickwelle geht weiter. Am Sonntag steht zum ersten Mal auf dem Abkündigungszettel eine Zeile, die mit http:// beginnt. Die Senioren lassen sich beraten, wie man das mit dem Klicken erledigen kann. Die Jugendgruppen treffen sich zum täglichen Klick inklusive Twitter-Andacht. Bei besonderen Anlässen heißt es nicht: „Spenden Sie Geld für unsere Gemeinde“, sondern „Spenden Sie einen täglichen Klick“. Die Idee, das Vaterunser für diese Zeit umzuformulieren in „unseren täglichen Klick gib uns heute“ wird im Kirchenvorstand ernsthaft diskutiert, letztlich aber doch verworfen. Eine Sonderausgabe des Gemeindebriefs beschäftigt sich mit der Frage: Ist es ethisch vertretbar, an einem Tag mit fünf Browsern abzustimmen? Die Zugriffszahlen der Gemeindehomepage steigen in schwindelerregende Höhen. Der Wettbewerb wird zum Dorf- oder Stadtgespräch. Die Zeitung berichtet davon.
Ich weiß wirklich nicht, ob es so läuft in den Gemeinden, die nun im Wettbewerb ganz vorne sind. Aber gönnen würde ich es ihnen. Und kriege direkt wieder Lust, in eine „normale“ Gemeinde zu gehen und an solcher Aufbauarbeit teilzuhaben. Ja, ich gönne es denen, die ganz vorne sind. Ich bin sicher, sie haben es verdient durch ihre Arbeit. Meine Stimme gebe ich trotzdem täglich der Citykirche Schweinfurt. Im Moment immerhin auf dem 86. Platz.