In diesen Wochen treffen sie wieder zusammen. Manche pilgern regelrecht von einem Gottesdienst zum nächsten: die Motorradfahrer. Zu Beginn der Saison – und an machen Orten auch am Ende – sind in den letzten Jahren, ja Jahrzehnten populäre Motorradgottesdienste entstanden. Der größte, so habe ich mir sagen lassen, ist jedes Jahr in Hamburg – mit knapp 50000 Maschinen. Kein Tippfehler. Fünfzigtausend. Aber auch ein Zehntel davon reicht durchaus aus: In Schweinfurt, wo ich als Pfarrer arbeite, kommen zum Motorradgottesdienst des katholischen Kollegen immer so etwa 5000 bis 6000 Maschinen. Die stehen dann in langen Reihen in den Straßen rund um die Kirche, während die Fahrerinnen und Fahrer in der Kirche und im Kirchhof Platz nehmen. Erst nach dem Gottesdienst steigen sie auf ihre Räder, um jede und jeder persönlich für die neue Saison den Segen zu empfangen.
Als ich noch Gemeindepfarrer war, kam auch auf mich der örtliche Motorradverein zu mit dem Wunsch: Wir wollen unseren eigenen Motorradgottesdienst! Sie wollten gar nicht so etwas Großes, sondern lieber nur so für sich, in familiärer Atmosphäre, nicht als Konkurrenz zu den „Großen“, aber als eine schöne Ergänzung.
Puh. Ich! Motorrad! Das einzige Mal, dass ich hinten auf einem Motorrad saß, wäre ich vor Angst runterzufallen fast gestorben. (Nun ja, mein Vordermann war auch relativ breit, nicht sehr gut zum Festhalten, und fuhr mit 160 Sachen auf der Autobahn...)
Also gut dann. Wenn die das wollen, kann ich doch schlecht Nein sagen. Mit dem Motorradverein zuammengesetzt und ein schönes Konzept entwickelt, eine Band organisiert, Bühne stellte der Bauhof, Würstchen der Verein. Ein neuer Gottesdienst war geboren. Letzte Woche durfte ich ihn vertretungsweise noch einmal mit dem Motorradverein meiner ehemaligen Gemeinde feiern. So etwa 150 bis 200 Teilnehmer auf Bierbänken, knapp 100 Motorräder. Eine schöne Gemeinschaft.
Besonders berührt mich immer wieder der Moment der Segnung. Da kommen die „starken Jungs“ in ihren Lederjacken an, manche auch mit Zigarette im Mund, extra vorher angezündet. Dann die „Motorradgottesdienst-Hopper“, die überall dabei sind. Zwischendrin ein paar Kinder auf dem Fahrrad. Und dann noch die Familienkutschen: Papa mit zwei, manchmal drei Kindern auf dem Motorrad, Mama steht daneben und hält das Kleinste fest. Es ist nur ein ganz kurzer Augenblick, und doch sehr intensiv. Viele verabschieden sich mit „Danke“, verdrücken manchmal sogar eine Träne und fahren dann weiter. Falls sie nicht erst einmal den Motor abwürgen vor lauter Aufregung.
Vielleicht ist diese Segnung ja deshalb so intensiv, weil diese Menschen wissen, wie schnell ihr Leben vorbei sein kann. Viele haben schon einen Kumpel bei einem Motorradunfall verloren oder hatten auch selbst schon mal einen schweren Unfall. Das hält sie natürlich nicht davon ab, weiter durch die Gegend zu brausen, aber es macht sie empfänglich für den Gedanken: Mein Leben ist fragil, verletzlich, immer aufs Neue gefährdet. Dankbar fahren sie weiter, mit Gottes Segen. Der mag sie nicht unbedingt vor Unfällen behüten, aber er gibt ihnen doch das Gefühl: Der da oben passt auf mich auf.
Der Herr segne dich und behüte dich auf allen deinen Wegen. Amen.