Am letzten Wochenende fand in Berlin zum fünfzehnten Mal "Folsom Europe" statt. Ein überaus erfolgreicher Import einer Event-Marke aus den USA, ein Treffen der Leder- und Fetischszene, das jährlich von Tausenden besucht wird. Die einstige Befürchtung oder Hoffnung - je nachdem -, hier würde am Samstagnachmittag auf einer Straßenkreuzung im Berlin Sodom und Gomorrha wiederauferstehen, ist nicht eingetroffen.
Ein Folsom-Treffen ist stets geballte Männlichkeit. Und so ruft es auch Themen auf, die für die Community von Bi-, Homosexuellen und Transgender insgesamt derzeit von Brisanz sind. In einem Artikel des queeren Berliner Stadtmagazins "Siegessäule" wird die Kritik angesprochen, Folsom sei ein von cis Männern dominiertes Event. "Und tatsächlich machen sich Frauen und trans* Personen rar auf dem Straßenfest." Ein Umstand, der von den Machern (!) bedauert wird. Dieser Befund geht einher mit zunehmenden Meldungen - vor allem aus den USA und Großbritannien -, dass Männern, die zu feminin wirken, ebenso wie Trans-Männern der Zutritt zu schwulen/queeren Bars aktiv verwehrt wird. Gewünscht sind maskuline Besucher, eben die 'echten' Kerle, was immer das so genau heißen mag: im Allgemeinen wie innerhalb der schwulen Szene im Besonderen.
Es ist kein ganz neues Problem der Community, dass bestimmte Gruppen ausgeschlossen werden (oder sich ausgeschlossen fühlen). So werden in manchen Bars alte Männer nicht gern gesehen, werden Lesben nicht in schwulen Lederbars akzeptiert, obwohl man doch einen Fetisch teilt, werden Menschen aus rassistischen Motiven abgewiesen.
Autor und Blogger Jeff Leavell formuliert es so, dass die schwule Szene ein Problem mit "toxischer Männlichkeit" hätte. Nun ist dies ein sehr schillernder Begriff, und hierzulande wird er eher verwendet, wenn es um physische Gewalt von (jungen) Männern geht. Gegen Männlichkeit ist nichts einzuwenden, schreibt Leavell ... und hinzuzufügen wäre, dass es sehr schöne Formen männlicher Zärtlichkeit gibt! Problematisch wird es erst, wenn eine bestimmte Vorstellung von Männlichkeit gegen andere gewendet wird, um diese herabzuwürdigen - mit dem Ziel, sich selbst zu erhöhen.
Andere so zu akzeptieren, wie sie sind ... sie anzunehmen, so wie sie sind, und nicht reflexhaft als Bedrohung der eigenen zusammengezimmerten Identität zu sehen - das ist ein Kern der christlichen Botschaft, die auch im säkularen Raum Gewicht haben sollte. Und es ist eine Forderung / Herausforderung an die LGBT-Community als Ganzes, dies zu praktizieren. Gerade in Zeiten, da radikale Kräfte erstarken, ist es wichtig, sich gegenseitig zu stärken, sich gerade nicht auszugrenzen, wo ansonsten manche in der Politik und auf der Straße Ausgrenzung wieder salonfähig machen wollen.