Ein bisschen "Verschwulung" wäre hier durchaus angebracht!

Ein bisschen "Verschwulung" wäre hier durchaus angebracht!
Aus einer Konservendose mit der Aufschrift "Hass" läuft eine schwarze Flüssigkeit.
Foto: Getty Images/fStop/Malte Mueller
Seit gestern ist es im Handel erhältlich: das neue Buch des demagogischen Redners und Autors Akif Pirinçci. Es heißt "Die große Verschwulung. Wenn aus Männern Frauen werden und aus Frauen keine Männer". Neben den massiven Ängsten, die der Autor offensichtlich hat und die bereits im Titel anklingen, strotzt es vor Hass.

Mit lieben Katzenkrimiromanen war er einst berühmt geworden. Das ist lange her. Seit Monaten und Jahren macht er mit Texten und Reden, die an rechtem, rassistischen, frauenfeindlichem und homo-/transphobem Inhalt kaum zu überbieten sind, Schlagzeilen. Diese Menschenverachtung blieb bislang unbestraft, geduldet – ja auch: gefeiert. Und nun machte er am Montag einen KZ-Vergleich.

Gestern schon berichtete evangelisch.de mehrfach über die Hassrede, die Akif Pirinçci beim Pegida-Marsch am vergangenen Montag in Dresden gehalten hat. Darin hat der ohnehin seit Jahren rechtspopulistisch und rassistisch agierende Autor das Fass zum Überlaufen gebracht. Zwar sagte Pirinçci nicht – wie erst durch viele Medien kolportiert –, dass KZs eine Möglichkeit wären, sich Asylsuchender zu entledigen. Aber er stellte – immer noch rassistisch genug – sich selbst und Gleichgesinnte auf einen Opferstatus, wie Jüd_innen, Homosexuelle, Behinderte und alle anderen, die in KZs umgebracht wurden. So auf die Art: Man dürfe in Deutschland ja nichts mehr sagen, da würde man gleich bestraft und – wenn es sie noch gäbe – in KZs verfrachtet. Wörtlich sagte er: "Offenkundig scheint man bei der Macht die Angst und den Respekt vor dem eigenen Volk so restlos abgelegt zu haben, dass man ihm schulterzuckend die Ausreise empfehlen kann, wenn er (sic!) gefälligst nicht pariert. Es gäbe natürlich andere Alternativen. Aber die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb." (nachzuhören auf Youtube)

Die Staatsanwaltschaft Dresden ermittelt nun gegen Pirinçci wegen des „Verdachts auf Volksverhetzung“. Endlich. Brauchte es wirklich diese Rede oder besser diesen "KZ-Satz" (,der auch noch so missverstanden wurde, dass er selbst sich wohl ins Fäustchen lachte), um Pirinçcis Menschenverachtung endlich zu verurteilen? Die ganze Rede über bediente Pirinçci sich einer rassistischen und nationalsozialistischen Sprache, um Pegida-Anhänger_innen und andere Nationalist_innen gegen Werte wie Toleranz und Akzeptanz zu verteidigen.

Sein letztes hetzerisches Buch "Deutschland von Sinnen. Der irre Kult um Frauen, Homosexuelle und Zuwanderer" war 2014 ein Bestseller in Deutschland. Man könnte ja sagen, es ist dumm und wurscht, was einer, der offensichtlich selbst von Sinnen ist, in ein Buch kritzelt. So auf die Art: Stell Dir vor, Pirinçci schreibt ein Buch und keine_r kauft es. Aber so ist es ja nicht. Im Gegenteil, es kaufen Millionen von Menschen seine Bücher. Auch auf "Die große Verschwulung" stürzen sich bereits etliche Käufer_innen. Jetzt gerade (22.10.15, 15:00 h) rangiert das Pamphlet auf Platz 37 der beliebtesten Bücher auf Amazon Deutschland. Eine Facebook-Freundin von mir kommentierte das gestern Abend auf ihrer Seite mit den Worten: "Gute Nacht, Deutschland. Er hatte Recht: Du musst von Sinnen sein!"

Man fragt sich tatsächlich, was passiert ist, dass Pirinçci zu dem menschenverachtenden Menschen geworden ist. Schließlich gab es eine Zeit, in der er sowohl geschäftliche als auch persönliche Kontakte mit homosexuellen Menschen pflegte. Dass homosexuelle Menschen überhaupt Menschen sind, davon ist allerdings auch in seinem neuesten Buch, das es seit gestern im Verlag Manuscriptum zu kaufen gibt, nichts zu lesen. Im Gegenteil zieht Pirinçci darin in gewohnt primitiver Fäkalsprache über homosexuelle und trans* Menschen her, ganz zu schweigen von seinen weiteren Hassobjekten Frauen* und Muslim_innen. Was er von LGBT-Rechten hält, wird u. a. in diesem Zitat deutlich:

"Die trotzige und marktschreierische Vergottung der abseitigen Sexualität dient nur vordergründig dem Toleranzdenken. Vielmehr sollen hierdurch sämtliche Normen in Frage und die für jede hohe Zivilisation notwendigen Werte auf den Kopf gestellt werden. Deutschland soll zu einem einzigen Kuriositätenkabinett degenerieren."

Mit Trans* scheint er sich überdies besonders gut auszukennen (*ironisch*), denn dazu schreibt er sehr präzise: "Es gibt Abnormitäten unter den zwei Geschlechtern. Es handelt sich dabei allerdings ausnahmslos um geschlechtliche Defizite. Die Antwort auf die Frage, ob man dabei von einer Behinderung sprechen kann, hängt davon ab, ob die Betroffenen hierdurch einem Leidensdruck ausgesetzt sind."

Und weiter: "Wenn ein Mann sich einer Geschlechtsumwandlung unterzieht, verwandelt er sich deswegen nicht in eine Frau, sondern in einen verstümmelten Mann, dessen Genitalbereich chirurgisch so lala zur Scheide und Vagina modelliert wird, ohne jemals deren eigentliche Funktion ausüben zu können."[1]

Wollen wir wirklich mehr lesen? Danke. Nein.

Mir fiel vor allem auch das krasse Titelbild des Buchs ins Auge. Abgebildet ist der Heilige Sebastian, der für viele orthodoxe, katholische, aber auch evangelische Christ_innen eine Schutzfunktion hat. Er wird angerufen bzw. er steht für den Schutz vor besonders schlimmen 'ekelhaften' Krankheiten wie der Pest, welche sich nicht nur in unsrem Wortschatz als besonders verabscheuungswürdig erweist: jemanden oder etwas wie die Pest hassen. Will sich Pirinçci mit Hilfe des Heiligen Sebastian die Homos – in seinen Augen die Pest – vom Leib halten? Oder ist es doch der Heilige Sebastian, auf Pirinçcis Buchcover nämlich in stereotyper schwuler Manier dargestellt, der ALS Schwuler 'Krankes' bekämpft und das Gute verteidigt?! Na ja, ich danke Pirinçci auf jeden Fall für dieses flexible Interpretationsspiel. Vielleicht hilft ihm ja auch der Heilige Sebastian oder irgendein anderer Heiliger, gegen all seine Ängste anzukämpfen, wie die beispielsweise dass alle Männer* zu Frauen* werden, aber die Frauen* nicht zu Männern* (siehe Buchtitel). Weil dann wäre ja alles wieder in Ordnung.

 

[1] Die Zitate aus dem Buch sind teilweise den Ankündigungen auf Pirinçcis Facebook-Seite und teilweise dem Artikel "Die 16 dümmsten und widerlichsten Zitate aus 'Die große Verschwulung'" von www.queer.de entnommen.

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