Ehe und sonst nichts?

Ehe und sonst nichts?
Foto: Rainer Hörmann
Die Debatte um eine Ehe-Öffnung in Deutschland wurde auch auf dem Kirchentag geführt. Es mangelte nicht an Worten der Unterstützung für gleichgeschlechtliche Paare. Doch macht allein die „Homo-Ehe“ selig? Was ist mit anderen Formen des Zusammenlebens?

Es sind viele ermutigende Dinge vom Kirchentag in Stuttgart berichtet worden, auch hinsichtlich von Themen, die Schwule, Lesben und Transgender betreffen. Da ist zunächst die Veranstaltung zum Auftakt, auf der den verfolgten Homosexuellen in der Nazi-Zeit, aber auch in der Zeit nach 1945 gedacht wurde. Da ist das Regenbogenzentrum, das mit vielfältigen Diskussionen - darunter solche zur Situation von Homosexuellen in anderen Ländern - offiziell Teil des Kirchentagprogramms war. Natürlich auch der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm, der erfreulich deutlich klarstellte, dass die Bedeutung der Ehe zwischen Mann und Frau durch eine Öffnung für Homosexuelle „kein bisschen geschmälert“ wird. Er mahnte eine „neue Kultur der Verbindlichkeit in unseren Beziehungen“ an. Und nicht zuletzt Kirchentagspräsident Andreas Barner, der in seinen Schlussworten ein Klügerwerden auch in der Frage der gleichgeschlechtlichen Partnerschaft konstatierte.

Vieles bekam besonderes Gewicht vor dem Hintergrund des Referendums in Irland. Dort hatte Ende Mai eine Mehrheit von 62% für die Öffnung der Ehe für Schwule und Lesben gestimmt. Ein kleines Detail, das in der Debatte oft untergeht: Es bleibt den irischen Kirchen freigestellt, ob sie Paare trauen. Dennoch hat die klare Positionierung der irischen Gesellschaft die Debatte, auch hierzulande die Ehe zu öffnen und damit das Institut der Lebenspartnerschaft hinter sich zu lassen, neu entfacht. Von der freudigen Begeisterung der Iren ist in Deutschland kaum etwas angekommen: Auf der Ebene der Politik und des Feuilletons haben sich binnen Tagen Gegner wie Befürworter in einem teils hysterischen Klein-Klein festgebissen.

In einer aktuellen Debatte sind Zeichen der Unterstützung wichtig - nicht zuletzt von der Theologin und „Botschafterin für das Reformationsjubiläum 2017“ Margot Käßmann, die in der „Bild“-Zeitung ihre Sympathie für die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare bekundet: „Dass homosexuelle Paare eine Ehe eingehen wollen, ist doch gerade ein Zeichen dafür, dass sie der Ehe viel zutrauen, es stärkt geradezu den Wert der Ehe als Institution.“ 

Aktuelle Debatten können aber auch den Blick verengen. Für mich stellt sich die Frage, ob das Bild von Homosexuellen sich derzeit nicht zu sehr auf das von ‚heiratssüchtigen Paaren‘ beschränkt.

Die Betonung, dass Homosexuelle sehr wohl in der Lage und willens sind, in einer Lebenspartnerschaft/Ehe füreinander Verantwortung zu übernehmen, ist eine wichtige Reaktion auf das hartnäckige, gleichwohl falsche und denunziatorische Klischee vom lasterhaften, hedonistischen Homosexuellen. Zugleich bedient das Bild des treusorgenden Homo-Paares, das die wilde Welt der nächtlichen Streifzüge zugunsten von Käsekuchenbacken und Windeln wechseln verlässt, auch eine gerade von Christen gern gehegte, gut bürgerliche Vorstellung der idealen Ehe voller Harmonie und Sonnenschein. Wer’s glaubt, wird selig. Sowenig sich eine Mehrheit der heterosexuellen Paare darin wirklich wiederfinden wird, so wenig möchte ich, dass eine Mehrheit der Homosexuellen in ein Idealbild gezwängt wird.

Ich bin etwas argwöhnisch, wenn sich das Lobpreisen der „verbindlichen Beziehung“ mit handfesten Interessen des Staates mischt. Gerade erst hat der Journalist Stefan Niggemeier in einem lesenswerten „F.A.Z.“-Artikel - mit Verweis auf den amerikanischen Publizisten Jonathan Rauch - darauf aufmerksam gemacht. Nicht nur sei, nach Rauch, die Ehe ideal, um wilde Männer zu zähmen.

„Ehen zu fördern, auch solche, aus denen keine Kinder hervorgehen, ist im Interesse des Staates, und das gerade aus konservativer Sicht. Partner, die einen Bund fürs Leben schließen, fallen dem Staat weniger zur Last – das ist das erzkonservative Prinzip der Subsidiarität. Und das gilt ganz besonders bei Homosexuellen, die im Alter mit größerer Wahrscheinlichkeit keine Kinder haben, die sich um sie kümmern.“

Die Skepsis von „linker Seite“ bestehe, so Niggemeier, darin, ob die Anerkennung von Schwulen und Lesben an die Unterwerfung unter die Institution der Ehe geknüpft sei.

„In diesem Sinne verändert die sogenannte Homo-Ehe vielleicht die Homosexuellen mehr, als sie die Ehe verändert, und der Kampf dafür ist einer für Gleichberechtigung, aber nicht unbedingt für Liberalisierung.“

Ich teile diese Skepsis - und bin trotzdem ein entschiedener Befürworter der Ehe-Öffnung. Gleiche Rechte für Homosexuelle ist eine Sache des Menschenrechtes und des christlichen Menschenbildes - jedenfalls meines christlichen Menschenbildes und, so verstehe ich die oben erwähnten Botschaften des Kirchentages, auch des christlichen Menschenbildes zentraler Personen der evangelischen Kirche Deutschlands!

An meiner persönlichen Lebenswirklichkeit und ganz sicher an einer großen Zahl anderer Homosexueller gehen Heirat und Adoption vorbei. Das mag vielleicht auch dem Umstand geschuldet sein, dass ich in Berlin, einer Hauptstadt der Singles, lebe. Sowenig wie Alleinsein gut für den Menschen ist, sowenig ist es eine (christliche) Norm zur Heirat. Und tatsächlich gibt es da viele Formen des Miteinanders dazwischen.

In seinen Schlussworten sagte Kirchentagspräsident Andreas Barner: „Unser Klügerwerden bezieht sich auch auf die Frage der Gleichgeschlechtlichen Partnerschaften. Gegen Liebe können wir Christen uns nicht stellen.“ Aber Liebe findet sich nicht ausschließlich in Ehen und/oder Lebenspartnerschaften. Es gibt Formen des Zusammenlebens, die nicht aus dem Blick geraten sollten. Sie sind nicht per se weniger liebevoll, nicht weniger verbindlich. Dabei habe ich die achtziger Jahre im Kopf: Ich hatte mein Coming-out und war einige Jahre in der Aidshilfe tätig, gleich zu Beginn des Ausbruches der Immunschwächekrankheit. Ehen oder Lebenspartnerschaften waren da kein Thema, gleichwohl die Krise alle Überlegungen dazu begünstigt hat. Trotzdem waren Menschen füreinander da, sie lebten Solidarität, Fürsorge und Liebe.

Darum bin ich heute zurückhaltend, wenn so wichtige Begriffe wie Verantwortung und Verbindlichkeit so eng und scheinbar ausschließlich an den Begriff der Ehe bzw. Lebenspartnerschaft geknüpft werden. Es gibt einen anderen schönen Begriff, den ich in letzter Zeit - auch im christlichen Kontext - kaum noch höre: Freundschaft.

Vom Wert der Freundschaft zu reden, mag naiv sein und auch ein Idealbild in einer ökonomisierten, auf Effizienz getrimmten Gesellschaft! Möglicherweise entwertet durch den inflationären Gebrauch in den sogenannten sozialen Netzwerken.

Ganz klar: Wer heiraten will, soll heiraten! Aber die Zweierbeziehung ist nicht alles - sie ist nur ein Teil im Geflecht menschlicher, verantwortungsvoller Beziehungen. Gerade die christlichen Gruppen, die die Interessen von Schwulen, Lesben und Transgender vertreten, sollten - trotz der aktuellen Debatte - nicht alle ihre Energie auf die Ehe richten. Es gilt, Lebensrealitäten wahrzunehmen sowie jene Formen des Miteinanders im Blick zu behalten und zu stärken, die uns auch jenseits der Ehe tragen.

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