Ihre Fragen, unsere Antworten - Folge 13: Wie war der Kirchentag?

Ihre Fragen, unsere Antworten - Folge 13: Wie war der Kirchentag?
Kann man einen Kirchentag überhaupt als Ganzes beurteilen?

Liebe evangelisch.de-Nutzerinnen und -Nutzer,

wie war der Kirchentag? Die Frage stellten in der vergangenen Woche viele Menschen - wer aus dem Stuttgarter Hitzekessel zurückkehrte, wurde das gefragt, aber auch die Beobachter des Kirchentags versuchten sich in ihren Medien an einer Antwort. Der Kirchentag war zu politisch (Cicero), zu wenig politisch (Publik Forum), braucht mehr irdische Themen (Matthias Kamann in der Welt), braucht mehr Kontroversen (taz), ist "für die Merkel-Republik unverzichtbar" (Christ & Welt, nicht online), ist pragmatisch ohne großes politisches Agenda-Setting (chrismon), und Hartmut Steeb von der Evangelischen Allianz fand den Kirchentag "einseitig".

Das alles zeigt, dass der Kirchentag sehr, sehr unterschiedlich wahrgenommen wird. Es gibt sowohl Differenzen in der Wahrnehmung dessen, wie inhaltlich stark die Hauptvorträge waren. Insbesondere das Gespräch zwischen Kofi Annan, Frank-Walter Steinmeier und Nick Baines, eines der Besucherhighlights im Kirchentagsprogramm, ist völlig unterschiedlich wahrgenommen worden. Die einen nannten es banal, die anderen freuten sich über deutliche Worte; manche lobten den Idealismus auf dem Podium, andere die Realitätsferne.

Ich glaube, darin spiegelt sich im Kleinen wider, was den Kirchentag im Großen ausmacht: Die eigenen Erwartungen im Vorfeld bestimmen, ob der Kirchentag ein guter war. Ich habe auch schonmal versucht, ein Gesamtfazit zu einem Kirchentag zu ziehen, nach dem Hamburger Kirchentag, und habe es damals gelassen. Denn niemand kann bei rund 2.500 Veranstaltungen überall gewesen sein, niemand kann wissen, wie jedes Thema auf dem Kirchentag behandelt wurde. Wer jeden Morgen zu einer Bibelarbeit geht, tagsüber einen Gottesdienst besucht und abends ein Nachtgebet, nimmt mehr spirituelle Impulse mit als jemand, der tagsüber den Markt der Möglichkeiten erkundet und abens zu den Wise Guys geht. Man kann den ganzen Kirchentag im Zentrum Regenbogen verbringen oder im Zentrum Kirchenmusik, im Zentrum Jugend oder nur Veranstaltungen in Kirchen besuchen. Man kann sich von Hauptvortrag zu Hauptvortrag mit 3.000 Leuten drängen oder zehn Workshops mit 30 Besuchern mitmachen.

Gar nicht zu reden von den ehrenamtlichen Helfern (hallo, #PFADIdekt!), die einen völlig anderen Kirchentag erleben als jeder Besucher.

Jeder Mensch auf einem Deutschen Evangelischen Kirchentag erlebt seinen ganz eigenen Kirchentag. Natürlich versuchen Journalisten und Beobachter, aus ihren Erfahrungen ein Gesamtfazit zu ziehen. Aber bei einer so riesigen Veranstaltung wie dem Kirchentag ist das von vornherein zum Scheitern verurteilt.

Viel besser funktioniert es, persönliche Schlussfolgerungen aus den eigenen Erlebnissen zu ziehen. Wer sich auf wenige Themen konzentriert und die Veranstaltungen dazu mitnimmt, kann den inhaltlichen Impuls vom Kirchentag, den es zweifelsohne immer noch gibt, viel besser mitnehmen. (Siehe Claudius Grigats Kommentar zum Kirchenasyl.)

Der Kirchentag bietet einen unfassbar großen, einzigartigen Hintergrund für das eigene Erleben. In diesem Sinne ist er der ultimative Ausdruck des Protestantismus: Jeder kann und muss sich auf der gleichen großartigen Grundlage einen eigenen Weg suchen - durch den Kirchentag, durch die Spiritualität, durch die Bibel, durch den Glauben. Dafür braucht es das ständige Gespräch, das Immer-Weiter-Suchen. Genau wie auf dem Kirchentag.


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