TV-Tipp: "Wiener Blut: Berggericht"

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24. März, ARD, 20.15
TV-Tipp: "Wiener Blut: Berggericht"
Fünf Jahre sind ins Land gegangen, seit die Wiener Staatsanwältin Fida Emam mutig gegen eine unheilige Allianz aus Nationalisten und Islamisten kämpfte. Warum es so lange gedauert hat, bis ZDF und ORF eine Fortsetzung drehen ließen, sei dahingestellt.

Geplant war das damals ohnehin nicht. Die Handlung von "Wiener Blut" (ORF-Premiere: 2019) war nicht zuletzt dank des Privatlebens der Juristin derart komplex, dass sie auch das Zeug zum Zweiteiler gehabt hätte. Für den zweiten Film hat Drehbuchautor Martin Ambrosch gerade in dieser Hinsicht einige Abstriche gemacht: Sowohl Fidas Liebhaber wie auch ihre Tochter Aline, damals islamistische Sympathisantin, sind als Figuren gestrichen. Das Genre-Vorzeichen ist ebenfalls ein anderes. Selbst wenn der von passender Musik begleitete Thriller-Prolog mit einem durch die Nacht gellenden Schrei endet: "Berggericht" ist ein klassischer Krimi über einen Wettlauf mit dem Tod. Vor zwei Jahren sind zwei 16jährige junge Frauen spurlos verschwunden. Plötzlich taucht eine der beiden wieder auf. Lauras Gefängnis war ein Weinkeller im niederösterreichischen Weinviertel. Das Gewölbe gehört einem Wiener Kunst- und Antiquitätenhändler, der schon damals als Hauptverdächtiger galt. Umgehend nimmt Fida (Melika Foroutan) die Ermittlungen wieder auf. Wenn Paul Ritter (Fritz Karl) die Tat nicht gesteht, ist Lauras Freundin Emilia verloren; jede Minute zählt.

Unterstützt wird die Staatsanwältin erneut durch Markus Glösl (Harald Windisch): Der melancholische Polizist hat ihr und Aline im ersten Fall das Leben gerettet, ist aber aus disziplinarischen Gründen ins Weinviertel versetzt worden. Als weitere personelle Konstante sorgt ihre trinkfreudige Mutter Afifa (Charlotte Schwab) mit bissigen Kommentaren für kleine Heiterkeiten; die Szenen mit der lustigen Witwe und ihrer strengen Tochter sind fast schon Comedy. Als Ritter von seiner Mutter erzählt, offenbaren sich verblüffende Parallelen. Trude Ritter (Barbara Petritsch), ebenfalls Alkoholikerin, erweist sich jedoch als eines jener filmischen Muttermonster, deren Söhne zu Mördern werden. Geradezu genüsslich zelebrieren Buch und Regie (Katharina Heigl) die Demontage dieser Frau, die krebskrank im Rollstuhl sitzt: Die Wagner-Liebhaberin, von Fida im Stillen als "Nazi-Mutter" bezeichnet, vereinigt von Antisemitismus bis Ausländerfeindlichkeit alle nur denkbaren Negativattribute auf sich. Ihrem Sohn wünscht sie, der Teufel möge ihn holen, was Paul nicht schrecken kann: "Ich lebe schon in der Hölle." Trotzdem kümmert er sich, und deshalb muss Fida ihn wieder laufen lassen: Er hätte nachweislich gar keine Zeit gehabt, um regelmäßig stundenlang in die Nähe der tschechischen Grenze zu fahren und die beiden Entführungsopfer zu versorgen, denn Trude muss rund um die Uhr betreut werden.

Anders als im ersten Film ist die Konstellation diesmal also vergleichsweise übersichtlich, selbst wenn die Staatsanwältin und das Ermittlungsteam noch einige tragische Fakten zu Tage fördern, die erst recht Mitgefühl für Ritter wecken: Vor drei Jahren hat er erst seine 15 Jahre alte Tochter und kurz drauf die Gattin verloren. Ausgerechnet diese Schicksalsschläge machen ihn jedoch erst recht verdächtig, als sich rausstellt, dass sich die drei jungen Frauen kannten. All’ diese Informationen müssen natürlich mitgeteilt werden, weshalb der Film zuweilen etwas dialoglastig ist. Sehr hörenswert ist allerdings wie schon im ersten Film die musikalische Untermalung. Damals hat Johannes Vogel (diesmal unterstützt von Annamaria Kowalsky) nicht nur den Titelwalzer, sondern auch die von Klassikliebhaberin Afifa bevorzugte Musik integriert, nun orientiert sich die Komposition an Wagner. 

Die Bildgestaltung (Kamera: Thea Adlung) ist ebenfalls von überdurchschnittlicher Sorgfalt. Schmuckstück in dieser Hinsicht sind die dank des silbergrauen Szenenbilds fast schwarzweiß anmutenden Szenen im Befragungsraum. Umso wirkungsvoller ist der Effekt, als eine ohnehin schon mit Rotlicht eingeführte Verdächtige hier mit knallroter Strickjacke und passend lackierten Fingernägeln sitzt. "Alles kommt irgendwann zurück", sagt die Frau schließlich zu Fida; eine Prophezeiung, die dem Film in den letzten  Minuten zu gleich mehreren gleichermaßen verblüffenden wie schockierenden Wendungen verhilft. Glösl wiederum erweist sich erneut als unverzichtbarer Weggefährte und Seelenverwandter der Staatsanwältin; die gemeinsame Schlussszene wirkt wie eine stille Romanze. Es wäre schön, wenn bis zum nächsten Fall des Duos nicht wieder fünf Jahre vergehen. 

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