Blumen fürs Volk

Blumen fürs Volk

Aus gegebenem Anlass muss ich noch einmal auf die königliche Hochzeit zurückkommen. Eigentlich wollte ich mich ja aus dem royalen Getöse heraushalten. Aber ich bin schließlich auch nur ein Mensch. Gruppenzwang nennt man das wohl in der Sozialpsychologie, man könnte auch sagen: medial indizierte Massenhysterie.

Wer sich von Zeitungsregalen, Nachrichtenwebsites, Radio und Fernsehen fernhält, merkte zwar bisher zumindest hier in den Midlands nicht viel von der Mega-Sause in London. Doch man hätte schon eine ziemlich lange Medienabstinenz üben müssen, um der royal wedding ganz zu entgehen. Die Abendnachrichten der BBC haben täglich mindestens einen Kate &William-Beitrag im Programm, und im Wetterbericht dreht sich seit Tagen alles um die große, schwarze Wolkenfront, die da unaufhaltsam aus Richtung Südost auf die Insel zuhält und die Feier zu verdunkeln droht.

Konzentrieren wir uns lieber auf die erfreulichen Dinge rund um die Heirat. Vorneweg ist da natürlich der freie Tag zu nennen, den die Hochzeit den Untertanen des Königreichs beschert hat. Nehmen wir gerne, allein schon wegen der gewonnenen Zeit für notwendige Gartenarbeiten. Ich muss aber zugeben, dass mich der von der Regierung eigens ausgerufene bank holiday angesichts der wirtschaftlichen Lage des Landes und der Versicherung des Königshauses, die Hochzeit low key gestalten zu wollen, also maßvoll und zurückhaltend, anfänglich etwas irritiert hat.

Die in den folgenden Wochen und Monaten bekanntgegebenen Details zu Brautkleid, Schmuck, Kutsche, militärischem Tamtam etc. sind an meinen Augen und Ohren wegen mangelnden Interesses weitgehend vorbeigerauscht. Doch ein Beitrag über den hochzeitlichen Blumenschmuck hat meine Aufmerksamkeit buchstäblich in letzter Minute doch noch geweckt.

Sage und schreibe 30.000 Pflanzen verschönern Westminster Abbey am 29. April, überwiegend Azaleen, Rhododendren, Flieder und Blauregen werden verwendet. Und beim Schmücken der Kirche kam auch schweres Gerät zum Einsatz: Acht Meter hohe Ahorn- und Buchenbäume verwandeln den Mittelgang in eine "avenue of trees". Alles maßvoll und zurückhaltend, wie gesagt, was auch in der Wahl der Pflanzen zum Ausdruck kommt: Feldahorn steht im "viktorianischen Blumencode"für Bescheidenheit, Hainbuche für Ausdauer.

Woher ich all das weiß? Von Shane Connolly, dem Artistic Director of Flowers und von Prince Charles persönlich berufenem Official Supplier of Flowers for Royal Events, der gegenüber der BBC betont, das Mega-Event "wie jede andere Hochzeit auch"zu behandeln, denn schließlich sei auch das Brautpaar "geradlinig, einfach und familienorientiert", die Ausrichtung der Hochzeit reflektiere also lediglich deren Persönlichkeiten. Deshalb solle auch der Schmuck der Kirche "dezent sein und zum Ausdruck bringen, dass Catherine tief in ihrem Herzen ein Mädchen vom Lande ist, und das Paar britisch im besten Sinne".

Alle verwendeten Pflanzen sind saisonbezogen und wurden direkt aus den königlichen Gärten importiert. Wohin zumindest die Bäume auch wieder zurückgehen –sie sollen später in Highgrove, den Private Gardens of Their Royal Highnesses the Prince of Wales and the Duchess of Cornwall, wieder eingepflanzt werden. Soll mal einer sagen, die Royals wären nicht umweltfreundlich.

Und volksnah sind sie außerdem: Bis zum 6. Mai soll Westminster Abbey geschmückt bleiben, der Öffentlichkeit zum Wohlgefallen. Wenn Sie also in der nächsten Woche in London sein sollten und nach Inspirationen für schlichten Blumenschmuck suchen, schauen Sie doch mal am Dean's Yard vorbei. Und sagen Sie mir bitte Bescheid, wenn Sie fündig werden. Denn London ist weit von unserem 60-Quadratmeter-Garten, und ich werde die Heirat der Königskinder aus therapeutischen Gründen wohl nicht verfolgen. Ein bisschen Individualität muss sein.

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