Ich neige zur Ungeduld. Wenn mir etwas nicht gefällt, habe ich den Drang, es zu verändern. Jetzt gleich, auf der Stelle. Dass dieser Ansatz nicht immer gut ist, lehrte mich einmal mehr unser Garten:
Als wir im Winter in das neue Haus zogen, sah der Garten saison- und vorbesitzerbedingt reichlich nackig aus. Außer dem Rasen, ein paar blattlosen Büschen und zwei kahlen Apfelbäumen schien nichts darin zu wachsen. Solch ein Anblick ist für Grünzeugliebhaber wie mich nur schwer zu ertragen, weswegen ich mich schon bald aufmachte zu ausgedehnten Besuchen in diversen Gartencentern. Doch auch dort herrschte im Februar noch Trostlosigkeit, und um sich die Baumgerippe und Wurzelballen in den Regalen üppig und farbig vorzustellen, bedurfte es einiger Phantasie.
Angeboten wurde unter anderem Rhabarber. Allerdings guckte auch von diesem zu diesem Zeitpunkt lediglich eine erbsengroße, rosafarbene Krone aus der Erde. Aber ich war der Meinung: Rhabarber wächst schnell, groß und ohne Probleme. Und ergibt obendrein noch leckeres Kompott. Die ideale Pflanze für ungeduldige Hobbygärtner, dachte ich. Also nahm ich den Topf der Sorte "Champagne" mit nach Hause.
Dort machte ich mich erst einmal schlau, ob sich das Gemüse aus der Familie der Knöteriche überhaupt wirklich so verhält, wie ich es mir ausgemalt hatte: Wächst schnell - stimmt. Wächst groß - stimmt. Wächst ohne Probleme - stimmt, sofern man einen schweren, feuchtigkeitsspeichernden Boden und einen zumindest halbsonnigen Platz für ihn hat. Doch dann die Enttäuschung: Neu eingesetzter Rhabarber soll im ersten Jahr nicht geerntet werden, damit sich erst einmal die Wurzeln etablieren können. Wer zu früh pflückt, den bestrafen die kommenden Ernten.
Nun hatten wir also einen großen, schnell wachsenden Strauch im Garten, den wir leider nur anschauen, aber nicht zu Nachtisch verarbeiten konnten. Doch dann kam die Überraschung: In der hinteren Ecke des Gartens arbeitete sich eine rote Knolle mit Karacho durch die nackte, noch kalte Erde. Zum Glück hatte ich dieses eine Mal auf den Mann gehört und noch nichts umgegraben, sondern erst einmal abgewartet, was das Frühjahr in dem scheinbar unbewirtschafteten Garten zum Vorschein bringen würde. (Wenn es nach mir gegangen wäre, hätten wir bereits das milde Wetter im Januar genutzt, um neue Beete anzulegen. Es kamen übrigens noch mehr unerwartetes Grünzeug zum Vorschein, unter anderem Krokusse, Hasenglöckchen, Lungenkraut und Lilien)
Und so sind wir am Wochenende also doch noch zu unserem ersten selbstgeernteten Nachtisch gekommen. Nicht üppig, aber lecker.
Wissenswertes über Rhabarber:
- Rhabarber aus Samen zu ziehen, ist schwierig. Besser einen gut entwickelten Wurzelstock beim Gärtner kaufen. Oder, falls vorhanden, ältere Pflanzen teilen: ausgraben und mit einem scharfen Messer so teilen, dass jedes Stück einen Trieb hat. Die feuchten Stellen vor dem Einpflanzen erst trockenen lassen.
- Rhabarber braucht einen sonnigen oder halbschattigen Platz in schwerer, feuchtigkeitsspeichernder Erde, aber keine Staunässe.
- Im Frühjahr oder Herbst einpflanzen, damit sich die Wurzeln gut etablieren können.
- Gut mit Mulch abdecken, Kompost in die Erde mischen, um für die nötigen Nährstoffe zu sorgen.
- Rhabarber wird groß - der Pflanzabstand sollte deshalb 1 bis 1,5 Meter betragen
- Es gibt glockenförmige, oben offene Gefäße aus Terracotta, die über den knospenden Rhabarber gestülpt werden können. Die Pflanze strebt dann zum Licht, was zur Bildung längerer, nach oben wachsender Stängel führt.
- Im ersten Jahr nach dem Pflanzen sollte nicht geerntet werden, da sich sonst der Wurzelstock nicht richtig entwickeln kann und das zukünftige Wachstum behindert wird.
- Geerntet wird im Mai. Der Rhabarber ist reif, wenn das Blattgewebe zwischen den Rippen nicht mehr "zerknittert" sondern glatt ist. Ab Juni die Pflanze regenerieren lassen, damit sie im nächsten Jahr wieder gut wächst. Außerdem sind zu spät geerntete Stangen oft holzig.
- Die Stängel knapp über dem Boden mit einem Messer abschneiden oder einfach herausdrehen. Gegessen werden nur die Stängel, nicht die Blätter.
- Nie alle Stangen ernten, sondern mindestens die Hälfte stehen lassen, sonst produziert die Pflanze keine neuen Blätter.
- Roh verzehrt ist Rhabarber giftig, also vor dem Essen immer kochen oder backen.
- Rhabarber hinterlässt oft ein pelziges Gefühl auf Zähnen und Zunge. Dies kommt von der reichlich enthaltenen Oxalsäure. Wie viel davon in den Stängeln enthalten ist, hängt von der Erntezeit und von der Sorte ab: Es gibt Rhabarbersorten mit roten oder grünen Stängeln, mit rotem oder grünem Fruchtfleisch, rotfleischige enthalten weniger Säure.
- Die Oxalsäure sitzt hauptsächlich in der Schale, deshalb am besten die Stängel vor dem Verarbeiten schälen. Dazu den weißen Strunk abschneiden und die Haut an den Stängeln von unten nach oben abziehen.
- Rhabarber schmeckt gut als Kompott, Marmelade, Kuchen oder Gemüse.