TV-Tipp: "Tatort: Messer"

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13. April, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Tatort: Messer"
Ein Wiener Spitzenkoch wird brutal ermordet, mitten im Hitzefeld aus Adrenalin, Machtspielen und verletztem Stolz. Doch der neue "Tatort" interessiert sich mehr für seelische Risse als für Küchendramen – und für eine Ermittlerin, die selbst am Rand steht.

Nicht nur im Krimi ist das Thema mittlerweile etwas ausgereizt: Küche ist Krieg, jedenfalls  in Nobelrestaurants. Die aggressive Stimmung und der Befehlston erinnern an die Grundausbildung bei der Bundeswehr. Nach 14 Stunden Arbeit ist der Adrenalinpegel so hoch, dass die ganze "Brigade" geschlossen in einen Club zieht, um beim Tanzen den  Stress abzubauen. Tags drauf geht’s wieder von vorne los, allerdings ohne den Star: Chefkoch André Brauer liegt gemeuchelt zwischen den Müllcontainern seines Wohnhauses, erstochen womöglich mit einem jener Fleischmesser, mit denen sein Personal ständig hantiert. 

Sarah Wassermair beginnt ihr Drehbuch für diesen "Tatort" aus Wien jedoch ganz anders, und diese Ebene der Geschichte ist im Grunde die interessantere. Bibi Fellner (Adele Neuhauser) besucht ihren alten Spezi, den Inkasso-Heinzi (Simon Schwarz), im Gefängnis, weil sie jemanden zum Reden braucht.

Normalerweise böte sich da ihr Partner an, aber das geht in diesem Fall nicht: Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) kann nicht zur Lösung beitragen, denn er ist das Problem. Die Majorin ist amtsmüde, wie sie bei einem zurückliegenden Fall festgestellt hat: Nach einer häuslichen Auseinandersetzung mit Todesfolge hat die Ehefrau auf wundersame Weise überlebt. Endlich ist Bibi mal rechtzeitig gekommen, um jemanden zu retten; ansonsten sind die Menschen, wie das bei Mordermittlungen nun mal so ist, in der Regel schon tot, und darauf hat die Polizistin keine Lust mehr. Der Oberstleutnant hat auf ihre Versetzungsgedanken wie ein vorbildlicher Vorgesetzter reagiert und umgehend überlegt, welche Fäden er ziehen kann, um Bibi, die ihm weit mehr als bloß eine Kollegin ist, eine weniger belastende Stelle zu besorgen; aber das ist ihr auch wieder nicht recht. 

Natürlich steht die Suche nach dem Mörder des Kochs im Mittelpunkt des Films, aber den roten Faden bildet der unausgesprochene Zwist zwischen dem Duo. Emotional geht’s allerdings auch auf der anderen Ebene zu, zumal sich gleich zwei klassische Motive aufdrängen: Die schöne Witwe Alicia (Martina Ebm) ist zwar am Boden zerstört, gilt aber auch als übertrieben eifersüchtig. Der Gatte ist nach den Nächten im Club gern auch mal nicht nach Hause gekommen, wie drei seiner Bekanntschaften in einer heiteren Revierszene offenbaren. Allerdings hat Alicia dank digital vernetzter Atemmaske ein Alibi.

Ohnehin drängt sich alsbald der zweite Mann in der Küche als Verdächtiger in den Vordergrund: Lars Eidmann (Simon Morzé) hat als Sous-Chef das eigentliche Kommando, denn der Assistent kriegt als erster den Ärger des Chefs ab, wenn mal was nicht läuft. Brauer war so etwas wie ein Ersatzvater für Lars, der wiederum ein Verhältnis mit Geschäftsführerin Alicia hatte; ein gleichsam ödipaler Konflikt, der gut gern auch mal tödlich enden kann.

Regisseur Gerald Liegel sieht gewisse Parallelen zwischen der Koch- und der Filmbranche: "Viele Leute arbeiten zusammen, es kostet wahnsinnig viel Geld, man steht unter hohem Zeitdruck, und am Ende soll alles perfekt sein." Als Krimihandlung ist Wassermairs Geschichte dennoch nur bedingt originell. Dass "Messer" (Fall Nummer 59 für Eisner) wie im Grunde jeder "Tatort" aus Wien trotzdem sehenswert ist, liegt neben dem ausnahmslos guten Ensemble vor allem an der Umsetzung. Die Bildgestaltung (Kamera: Gero Lasnig) verhindert, dass der Film zum Kammerspiel wird, obwohl er größtenteils aus Innenaufnahmen besteht.

Gerade die Szenen im Restaurant sind sehr reizvoll: Während das Lokal dank des freundlichen Lichts sehr heimelig anmutet, wirken die düsteren Aufnahmen aus dem Reich des Chefkochs fast schwarzweiß; ein Eindruck, der durch die "Uniformen" des Personals noch unterstrichen wird, weshalb die Witwe mit ihrer knallroten Schürze prompt auffällt. Als Kontrast sind die Befragungen beim BKA zwar in helles Licht getaucht, aber der Vernehmungsraum ist äußerst funktional und sparsam. 

Der besondere Clou des Films ist jedoch die handwerkliche Verschachtelung: Wie durch Zauberhand tauchen Eisner, Fellner und die jeweiligen Vernommenen plötzlich in der Küche auf, während der Rest des Personals dort weiter seiner Arbeit nach geht. Der Effekt funktioniert auch andersrum: Als eine vom Chef sexuell belästigte Küchenhilfe von ihrer Spezialität berichtet, steht die Crème brûlée plötzlich vor ihr. Der ermordete Brauer sucht seinen Ziehsohn zudem als Erscheinung heim. Liegel und Lasnig durften im Gastraum eines angesagten Wiener Lokals sowie in einer Lehrküche drehen, das trägt naturgemäß zur authentischen Atmosphäre bei.