Meist ist es kein gutes Zeichen, wenn Filmfiguren eine Handlung aus dem Off kommentieren müssen, aber was der zweifache Grimme-Preisträger Miriam und Markus in den Mund legt, ist stellenweise so originell und witzig, dass Menschen, die in Büchern wichtige Sätze anzustreichen pflegen, aus dem Mitschreiben gar nicht mehr rauskommen. Noch eindrucksvoller ist allerdings, was der Autor aus einer simplen Grundidee gemacht hat.
Die Konstellation erinnert an seine ZDF-Serie "Merz gegen Merz" (mit Annette Frier und Christoph Maria Herbst), ist aber trotz gelegentlich bissiger Momente deutlich weniger sarkastisch: Die Bachmanns (Stefanie Stappenbeck, Oliver Wnuk) sind geschieden, pflegen aber nicht zuletzt wegen der beiden Kinder eine freundschaftliche Beziehung. Als in der Nachbarschaft des einstigen gemeinsamen Eigenheims ein Haus zum Verkauf steht, zieht Markus kurzerhand dort ein. Miriam findet das gut; bis ihr klar wird, dass nun auch seine von den Kindern hochverehrte neue Freundin Galina (Natalia Belitski) zur Nachbarin wird.
Klugerweise hat Stromberg auf die naheliegenden Klischees verzichtet. Miriams Nachfolgerin mag ein wenig jünger sein, aber das ist kaum der Rede wert; für eigene Kinder ist sie ihrer Ansicht nach mit fast vierzig zu alt. Außerdem ist sie selbstbewusst, eigenständig und zu Miriams insgeheimem Ärger alles andere als unsympathisch. Bei Erziehungsfragen gibt es allerdings zum Teil deutliche Unterschiede zwischen den beiden Frauen, weshalb Konflikte unausweichlich sind. Das wiederum hat zur Folge, dass Miriam im Vergleich zur lässigen Galina weitaus unentspannter wirkt, als ihr lieb ist. Prompt fürchtet sie, nach dem Gatten auch noch die Kinder zu verlieren.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Wie alle guten Komödien birgt also auch "Die Bachmanns" einen Dramenkern. Husmann löst die Konflikte zwar amüsant auf, nimmt sie aber dennoch ernst. Die Beziehungsebene dient zudem über weite Strecken bloß als Basis für weitere Herausforderungen, selbst wenn sich eine Liebelei zwischen Miriam und einem Kollegen (Pit Bukowski) unerwartet stürmisch entwickelt: Sohn Elias droht ein Schulverweis, weil er ein vermeintlich sexistisches YouTube-Video rumgezeigt und nachgestellt hat. Galina trägt mir ihren Moritaten aus der "alten Heimat" nur bedingt dazu bei, den Zwist mit der Schulleiterin zu entschärfen. Ständige Unruheherde sind zudem zwei Figuren, die gegensätzlicher kaum sein könnten: Antipode zu Nachbarin Katrin (Luise Wolfram), einer Frau mit zum Teil durchaus fundamentalistischen Ansichten, ist Hape (Niels Bormann), ein unerträglicher Besserwisser aus der "Das wird man ja wohl noch sagen dürfen"-Fraktion.
Trotzdem bleibt der Tonfall vorwiegend heiter. Endgültig zu einer mehr als sehenswerten Komödie wird der Film dank des ausnahmslos vorzüglichen Ensembles; auch die Mitwirkenden in den kleineren Nebenrollen machen ihre Sache ausgezeichnet. Spätestens jetzt kommt Regisseurin Miriam Bliese ins Spiel, und das nicht nur wegen ihrer Führung der beiden Kinder. Bei allem Respekt vor Husmanns herausragendem Talent für treffende Dialoge: In vielen beiläufigen Szenen sagen kleine Gesten mehr als Worte, etwa, wenn Markus nach einer gewonnenen Wette mit Miriam das Preisgeld nicht ein-, sondern so versteckt, dass sie den Fünf-Euro-Schein früher oder später finden wird.
Schon der Vorspann ist liebevoll gestaltet. Gerade noch hat Miriam erzählt, dass sie den ersten drei Ehejahren fünf von fünf Sternen geben würde. Dann seien ein paar Drei-Sterne-Jahre gefolgt, aber schließlich seien alle erloschen. Der Film illustriert diese Entwicklung mit entsprechenden Bildern aus dem Passfotoautomaten; die Sequenz endet mit einer Aufnahme, die entzwei gerissen wird. Ganz ähnlich verläuft auch das Finale, als Miriam und Markus ein Grillfest organisieren, um die mittlerweile heillos zerstrittene Nachbarschaft zu versöhnen, aber das als Deeskalation gedachte Beisammensein läuft komplett aus dem Ruder; die turbulente Szene wirkt, als habe Bliese ihrem Ensemble freien Lauf gelassen. "Die Bachmanns" ist jedoch nicht nur Gute-Laune-Fernsehen. Das Ehepaar taugt darüber hinaus als Vorbild, wie es auch nach dem Ende der Liebe noch ein gemeinsames Leben geben kann, selbst wenn das nicht immer nur das reine Vergnügen ist; schließlich heißt es, wie Markus ganz richtig feststellt, aus gutem Grund "Patch-Work" und nicht "Patch-Fun".