"Man muss auch mit den Taliban reden", sagte der Chef des evangelischen Wohlfahrtsverbands am Mittwoch im SWR-Rundfunk: "Man darf die Taliban nicht nur in einem Schwarz-Weiß-Denken grundlegend verteufeln, sondern wir müssen natürlich auch gucken, wie wir diplomatische Lösungen finden." Ziel sei es, ein Maximum an humanitären Möglichkeiten zu erreichen. Das erfordere viel diplomatisches Fingerspitzengefühl und "weniger Hau-Drauf-Politik", sagte Lilie.
Der Diakonie-Präsident begrüßte, dass sich inzwischen mehrere deutsche Bundesländer bereit erklärt haben, afghanische Flüchtlinge aufzunehmen. "Wir haben von 2015 immer noch gut eingespielte Strukturen und Ressourcen, sodass wir sicherlich mit ein paar tausend Menschen in diesem großen Land überhaupt in keiner Weise überfordert sind", erklärte der evangelische Theologe. Den Menschen zu helfen sei Deutschlands "verdammte Pflicht und Schuldigkeit nach diesem verheerenden Abgang des Westens aus Afghanistan".
Lilie forderte die Bundesregierung auf, sich im Rahmen der EU für Kontingentlösungen zur Aufnahme afghanischer Flüchtlinge und für ein Resettlement-Programm einzusetzen, also für ein dauerhaftes Bleiberecht. Er nannte etwa gefährdete Frauen, Menschenrechtler oder Nicht-Muslime, die in Gefahr seien. "Wir werden große Fluchtbewegungen sehen", sagte Lilie und betonte, Europa müsse Verantwortung übernehmen.
Die radikalislamischen Taliban haben in Afghanistan die Macht übernommen und kontrollieren die Zugänge zum Flughafen in Kabul. Die Bundesregierung hat erklärt, dass sie mit ihnen verhandeln will, damit afghanische Ortskräfte, die für die Deutschen gearbeitet haben, ausgeflogen werden können. Außenminister Heiko Maas (SPD) zufolge ist der deutsche Botschafter zu Gesprächen mit Taliban-Vertretern nach Doha gereist.