Mehrere Bundesministerien haben die Debatte über ein allgemeines Dienstjahr für junge Menschen begrüßt, beurteilen eine Verpflichtung aber zurückhaltend. Eine Sprecherin des Innenministeriums sagte am Montag in Berlin, dass im Falle einer Dienstpflicht zunächst geklärt werden müsse, ob es europa- und verfassungsrechtlich überhaupt zulässig wäre. Grundsätzliche Bedenken gegen den Vorschlag von CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer, eine Dienstpflicht für junge Frauen und Männer einzuführen, äußerten mehrere Wohlfahrtsverbände.
Das Innenministerium verwies auf Artikel 12, Absatz 2 des Grundgesetzes, in dem es heißt: "Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht." Das sei allerdings nur in einem "sehr engen Rahmen" möglich, betonte die Sprecherin. Als Beispiele nannte sie die Feuerwehr- und Deichwehrpflicht oder die Nothilfepflicht.
Zivilgesellschaftliches Engagement stärken
Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums bezeichnete den Grundgedanken in der Debatte als "gut und wichtig", betonte aber zugleich, dass Ministerin Ursula von der Leyen (CDU) dies nicht als Diskussion über eine Wiedereinführung der alten Wehrpflicht verstehe. Er wies darauf hin, dass bereits heute bis zu 12.500 Stellen für freiwillig Wehrdienstleistende zur Verfügung gestellt würden. Diese seien mit durchschnittlich 8.500 Freiwilligen besetzt.
Ein Sprecher des Familienministeriums sprach von einer "absolut notwendigen" Debatte, zivilgesellschaftliches Engagement zu stärken. Es sei gut, wenn Jugendliche sich verpflichteten, soziale Tätigkeiten zu übernehmen. Dies fördere deren Entwicklung und den gesamtgesellschaftlichen Zusammenhalt. Er wies zugleich auf die "Erfolgsgeschichte" beim Bundesfreiwilligendienst hin. Dabei waren seit Sommer 2011 bereits etwa 320.000 Freiwillige im Einsatz. Aktuell seien es bundesweit rund 40.000 Frauen und Männer.
Aus dem Gesundheitsministerium hieß es, dass es angesichts des Mangels an Pflegekräften ein positiver Effekt wäre, wenn junge Menschen an Pflegeberufe herangeführt würden.
Die christlichen Wohlfahrtsverbände Diakonie und Caritas lehnen eine allgemeine Dienstpflicht ab. "Zum Thema 'Pflichtjahr' sei die Rechtslage und die Position der Caritas eindeutig", hieß es auf Anfrage. "Ein sozialer Pflichtdienst ist mit nationalem und europäischem Recht nicht vereinbar. Die Freiwilligkeit ist einer Verpflichtung stets vorzuziehen."
Die Diakonie Deutschland betonte, weder eine gesellschaftlich-soziale Dienstpflicht noch eine Wiedereinführung der Wehrpflicht seien sinnvoll. "Statt einem Gesellschaftsdienst sollten alle nationalen wie internationalen Formate der Freiwilligendienste weiter gestärkt werden, um Menschen für soziale Berufe zu interessieren", sagte eine Sprecherin dem epd. Das könne zum Beispiel durch verstärkte Anerkennung der Erfahrungen bei der Berufs- und Studienausbildung geschehen. Auch seien Erleichterungen denkbar, wie zum Beispiel vergünstigte Tickets für den Öffentlichen Nahverkehr oder für kulturelle Einrichtungen. Aber: "Um diese Maßnahmen umsetzen zu können, braucht es eine bessere finanzielle Ausstattung des Systems der Freiwilligendienste."
AWO-Chef Wolfgang Stadler ging ebenfalls auf Distanz: "Die Idee eines verpflichtenden Gesellschaftsjahres ist eine doppelte Mogelpackung: weder stärken wir die Solidarität und den Gemeinsinn junger Menschen, wenn wir sie in einen Pflichtdienst zwingen, noch erreichen wir damit etwas gegen den Fachkräftemangel im sozialen Bereich."
CDU-Generalsekretärin Kramp-Karrenbauer hatte am Wochenende vorgeschlagen, junge Männer und Frauen ein Jahr lang für soziale oder gemeinnützige Arbeiten zu verpflichten. Sie sagte der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Samstag), sie rechne nicht mit einer einfachen Rückkehr zur Wehrpflicht, würde aber gern über eine "allgemeine Dienstpflicht" reden.