Das Hilfswerk "Brot für die Welt" ruft die EU angesichts laufender Verhandlungen zum EU-Handelsabkommen mit Mexiko auf, sich für die Einhaltung von Menschenrechten in dem Land einzusetzen. Mexiko brauche Rechtsstaatlichkeit und wirksame Mechanismen, um den Schutz von Menschenrechten zu gewährleisten, sagte die Präsidentin des evangelischen Hilfswerks, Cornelia Füllkrug-Weitzel, am Montag in Berlin. "Die Bundesregierung müsste vorpreschen und sich stärker für eine wirksame Menschenrechtsklausel im Handelsabkommen einsetzen", betonte sie. So sei darin beispielsweise bisher keine Möglichkeit für Beschwerden der Opfer vorgesehen.
Füllkrug-Weitzel, die sich nach einer zehntägigen Reise durch Mexiko äußerte, beschrieb die dortige Menschenrechtssituation als verheerend. Allein im vergangenen Jahr seien laut offiziellen Regierungsstatistiken 26.000 Menschen ermordet worden - das sind mehr als 70 täglich. So viele gab es dem Hilfswerk zufolge seit 20 Jahren nicht. In diesem Jahr könnte diese Zahl wegen einer Gewalteskalation vor der Präsidentschaftswahl im Juli weiter steigen. Insgesamt waren es 200.000 Tote in zwölf Jahren - Drogengeschäfte, verbreitete Korruption und Machtkämpfe der Kartelle fordern ihre Opfer.
Verstrickungen zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren
Nach offiziellen Zahlen gibt es außerdem rund 35.000 registrierte Verschwundene. Es werde aber von einer Dunkelziffer von 90 Prozent ausgegangen. Viele Angehörige meldeten das Verschwinden aus Angst vor weiteren Übergriffen und Stigmatisierung nicht. "Wer das Verschwindenlassen seiner Angehörigen öffentlich macht, riskiert, dass weitere Angehörige verschwinden oder ermordet werden", sagte die "Brot-für-die-Welt"-Präsidentin. Das Verschwinden junger Frauen werde - womöglich aus falscher Scham - noch seltener angezeigt, denn viele enden als Prostituierte.
Es gebe ein hohes Maß an Verstrickungen zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren, sagt Füllkrug-Weitzel. "Staatliche Stellen sind oft nicht an Aufklärung interessiert." Dabei gebe es gegen das gewaltsame Verschwindenlassen und gegen Folter sogar gute Gesetze - die würden aber nur mangelhaft umgesetzt. Die meisten Verbrechen bleiben nach wie vor straflos.
Die in Mexiko sehr mächtige katholische Kirche hält sich weitgehend zurück. Es gebe zwar einzelne Priester, die sich an der Seite der Angehörigen von Verschwundenen engagierten. Die Geistlichen würden dafür aber massiv bedroht. Etwa zwölf Priester sollen in den vergangenen Jahren sogar ermordet worden sein. Die Leiterin des Mexiko-Referats, Silke Pfeiffer, sagte, hier würde man sich "ein weitaus klareres Engagement der Kirche wünschen".
Das Hilfswerk, dass in Mexiko 30 Organisationen unterstützt, geht davon aus, dass Deutschland als wichtiger Handelspartner großen Einfluss nehmen könnte. Von den 1.900 in dem Land tätigen deutschen Unternehmen seien die meisten in gesicherten Industrieparks tätig. Wenn der Schutz wirtschaftlicher Aktivitäten gewährleistet werden könne, sei der Staat durchaus in der Lage, auch für die Sicherheit der Bevölkerung zu sorgen, resümierte das Hilfswerk.
Füllkrug-Weitzel verwies zugleich auf den am Dienstag in Stuttgart beginnenden Prozess gegen den Rüstungskonzern Heckler & Koch. Der Vorwurf: Das Unternehmen habe zwischen 2006 und 2009 mehrere tausend G36-Sturmgewehre illegal nach Mexiko geliefert. Die Waffen sollen auch 2014 im Fall der Massenverschleppung von Studenten im Bundesstaat Guerrero zum Einsatz gekommen sein: Damals verschwanden 43 Studenten. Guerrero ist der am stärksten militärisierte Bundesstaat in Mexiko und Hauptanbaugebiet von Opium.