Das Foto eines verletzten Jungen aus der umkämpften syrischen Stadt Aleppo hat am Donnerstag die Menschen weltweit berührt. Deutsche Hilfsorganisationen reagierten zurückhaltend auf das Bild des fünfjährigen Omran. "Wir würden es so nicht zeigen, weil wir Menschen grundsätzlich nicht als Opfer darstellen", sagte die Präsidentin der Diakonie Katastrophenhilfe, Cornelia Füllkrug-Weitzel in Berlin. Ähnlich äußerten sich Unicef und Misereor. Die Kindernothilfe sprach von einem Grenzfall, würde das Bild aber verwenden.
Die Aufnahme des Jungen stammt aus einem Video des "Aleppo Media Centers", das die Plattform in der Nacht zum Donnerstag unter anderem auf Youtube im Internet verbreitete. Zu sehen ist wie Sanitäter mehrere Kinder aus Trümmern bergen. Das aus dem Clip ausgekoppelte Foto zeigt Omran mit blutverschmiertem Kopf und staubbedeckt in einem Rettungswagen. Medien weltweit veröffentlichten das Bild. In den sozialen Netzwerken wurde der Junge schnell zum "Gesicht des Krieges".
Kinder nicht als Opfer sichtbar machen
Die Gräuel des Syrien-Konflikts seien bekannt, es stelle sich deshalb die Frage, warum Darstellungen von Opfern weiter verbreitet würden, argumentierte Füllkrug-Weitzel. "Es gibt eine Tendenz, nur noch auf Bilder zu reagieren", sagte sie. Die Kämpfe um Aleppo wertete sie als "dramatischste Missachtung des Lebens und des Lebensrechts der Bevölkerung". Das allein sollte für die Völkergemeinschaft genügen, darüber nachzudenken, dass man jetzt dringend handeln müsse, sagte sie. Politiker sollten bei dieser Entscheidung nicht von Bildern abhängig sein.
Unicef-Deutschland-Sprecher Rudi Tarneden reagierte schockiert auf das Foto. Er habe beim Betrachten "hilfloses Entsetzen" empfunden. Im Gesicht des Kindes sehe er "ein unglaubliches Staunen, was sich Menschen antun". Keinem Kind auf der Welt sollte so etwas passieren.
Tarneden kritisierte die weltweite Verbreitung des Bildes. Kinder sollten geschützt und nicht als Opfer sichtbar gemacht werden. Unicef Deutschland wolle Fotos zeigen, die belegten, dass man etwas für Kinder tun kann, trotz Schwierigkeiten und schrecklicher Ereignisse. "Wir setzen keine Schockfotos ein", sagte Tarneden dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Auch das katholische Entwicklungswerk Misereor würde das Foto nicht zeigen. Zwar sei die Lage in Aleppo eine Extremsituation, auf die die Öffentlichkeit immer wieder aufmerksam gemacht werden müsse. Menschen- und Persönlichkeitsrechte müssten aber eingehalten werden, sagte Michael Mondry vom Misereor-Presseteam dem epd.
Er räumte ein: "Es ist ein Zwiespalt, in dem wir uns befinden." Einerseits bewegten solche Bilder die Menschen stärker zu Spenden. Andererseits seien Kinder als Opfer besonders schutzwürdig. "Wir wollen nicht das Elend zeigen", sagte er. Misereor nutzt laut Mondry fast ausschließlich Fotos von Partnerorganisationen, die bei Aufnahmen von Kindern wo möglich das Einverständnis der Eltern einholen.
Die Kindernothilfe aus Duisburg würde das Bild im Kontext des Syrien-Kriegs zeigen, "um auf die schwierige Lebenssituation vor allem der Kinder hinzuweisen", wie Sprecherin Angelika Böhling dem epd sagte. Allerdings handele es sich bei dem Bild um einen Grenzfall, der nicht leicht zu entscheiden sei. Sie selbst habe das Bild als schockierend empfunden, weil es das Trauma und den Schmerz der Kinder von Aleppo ausdrücke. Tote oder nackte Kinder würde die Kindernothilfe keinesfalls abbilden.
Laut Unicef leiden Kinder in Aleppo, besonders im belagerten Ostteil der Stadt, mit am stärksten unter dem Krieg. Sie müssten Hunger, Wassermangel und traumatische Erlebnisse erdulden. Zudem seien von den ehemals über 70 Kinderschutzräumen aufgrund des ständigen Beschusses nur noch rund ein Drittel für Kinder geöffnet.