Nach Auffassung des Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, muss sozial Benachteiligten die Angst genommen werden, gegenüber Migranten "den Kürzeren zu ziehen". Wen Schwache gegen Schwache ausgespielt würden, werde Integration schwierig.
Der EKD-Ratschef schlug vor, für Flüchtlinge ohne Bleiberecht eine "Abschiedskultur" zu entwickeln. Auch bei Abschiebungen müsse die Würde der Menschen gewahrt bleiben. Gemeinsam mit Marx sprach er sich dafür aus, in einem Einwanderungsgesetz "klar geregelte Wege und Einwanderungssicherheit" für Menschen zu bieten, die in Deutschland ihre wirtschaftliche Zukunft suchen. Dies bedeute zugleich, dass Zuwanderer, die kein Bleiberecht hätten, wieder in ihre Heimat zurückkehren müssten, erklärten die beiden Theologen.
"Unser Sozialsystem muss armutsfest sein"
Die Spitzen von EKD und Bischofskonferenz bekräftigten ihre Forderung nach schnellen Asylverfahren. "Damit Menschen nicht quälend lange auf eine Entscheidung zu warten haben, müssen Asylanträge rasch bearbeitet werden, ohne dass eine gründliche Einzelfallprüfung unterlassen wird", fordern Marx und Bedford-Strohm. Grundsätzlich brauche Deutschland Zuwanderung: Wenn es gelinge, die hierher kommenden Menschen zu integrieren, nützte Zuwanderung allen.
Die Kirchen bekräftigten ihre Forderung, durch eine gerechtere internationale Handelspolitik die Fluchtursachen zu bekämpfen. Für eine gerechtere Welt brauche es zugleich andere Strukturen und einen andere Lebensstil, sagte Bedford-Strohm. "Wir müssen von unseren materiellen Möglichkeiten abgeben", ergänzte Marx. "Vielleicht kostet das mehr als die deutsche Einheit."
Marx sagte, auch nach der Umsetzung des gesetzlichen Mindestlohns blieben die Themen Altersarmut und Generationengerechtigkeit auf der politischen Agenda. "Unser Sozialsystem muss armutsfest sein", forderte der Kardinal.
Mit der Vorlage eines gemeinsamen Papiers zogen Bedford-Strohm und Marx am Freitag die Bilanz aus einem Diskussionsprozess, der im Februar 2014 mit einer "Ökumenischen Sozialinitiative" begonnen hatte. Sie unterstrichen darin, dass die weltweiten sozialen und ökologischen Herausforderungen ein Umdenken in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft erforderten.
Marx äußerte sich dabei kritisch zum geplanten Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA. "Wir sind nicht gegen Welthandel, aber fair muss er sein", sagte der Kardinal. Arme Länder dürften nicht ausgeschlossen werden und die reichen Länder Europas und Nordamerikas durch das umstrittene Abkommen nicht in eine exklusive Beziehung treten. EKD-Ratschef Bedford-Strohm sagte: "Handelspolitik ist die Flüchtlingspolitik der Zukunft." Zu welchen Konsequenzen es führe, wenn man Handelspolitik nur als Interessenpolitik des eigenen Landes verstehe, sehe man gegenwärtig.