"Das Umdenken war sehr gründlich", sagte Meister dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Aber wir haben Jahrzehnte dafür gebraucht." Vor allem das Verhältnis zur jüdischen "Schwesterreligion" habe sich grundlegend verändert. Auch spielten nationalkirchliche Bestrebungen heute keine Rolle mehr. Am Freitag jährt sich der Tag des Kriegsendes zum 70. Mal.
Mit dem 8. Mai 1945 sei in der Kirche nicht sofort alles anders geworden, sagte der Bischof: "Es hat einen langen, zum Teil zu langen Prozess gegeben." Erst Jahre nach ihrer "Stuttgarter Schulderklärung" 1945 habe sich die Kirche explizit zum nationalsozialistischen Terror und zur Vernichtungspolitik gegenüber den Juden geäußert. "Wir haben wie die gesamte deutsche Gesellschaft an der Stelle keinen Rekord aufgestellt", sagte Meister.
Anfang der 60er Jahre seien die ersten Texte gegen christlichen Antijudaismus für ein neues Verhältnis zum Judentum entstanden. "Bis daraus eine Dynamik wurde, vergingen 25 Jahre", sagte der Bischof. Die Debatten hätten jedoch Erfolg gehabt: "Das viele Nachdenken hat das Verhältnis zum Judentum, zu den jüdischen Gemeinden und theologisch auch zu Israel auf eine ganz andere Grundlage gestellt." Um weiterem Antijudaismus vorzubeugen, müssten die Diskussionen fortgeführt werden.
Als grundlegenden Text für eine erneuerte Kirche nannte Meister die Barmer Theologische Erklärung von 1934, mit der sich ein Teil der Kirche - die Bekennende Kirche - gegen die NDSAP-treuen Deutschen Christen wehrte. Die Erklärung habe schon damals Grenzen gegenüber einem allmächtigen Staat und seinen Führergestalten formuliert. "Diese Erkenntnis ist 1945 noch einmal markant wiederholt worden", sagte der Theologe. Bis heute habe sich in der evangelischen Kirche dadurch eine "Grundreserve gegenüber einer politischen Vereinnahmung" eingeprägt.