Bayern ist ein an prachtvollen Kirchen reiches Land: Von der barocken Basilika mit Zwiebelturmspitze bis zum modernen Sakralbau aus Glas und Stahl reicht die Bandbreite. Doch die bayerische Kirchenlandschaft ist unter Druck: Eigentümer der evangelischen und katholischen Gotteshäuser sind in den meisten Fällen die Kirchengemeinden selbst - und die müssen sparen: Bis spätestens 2050 brechen Prognosen zufolge die Hälfte der Gläubigen und damit auch die Hälfte der Kirchensteuereinnahmen weg. Die Protestanten wollen deshalb die Hälfte ihrer nicht mehr benötigten, aber im Unterhalt teuren Gebäude verkaufen, verpachten, anderweitig nutzen.
Doch so leicht ist das nicht. Gut 6.000 Immobilien besitzt die Evangelisch-Lutherische Kirchen in Bayern (ELKB), der Großteil sind Pfarrhäuser und Gemeindezentren. Von den 1.880 Kirchen stehen zwei Drittel bereits unter Denkmalschutz. Weil das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege derzeit auch viele Gotteshäuser der 1960er-Jahre - darunter solche von bekannten Kirchenarchitekten wie Franz Lichtblau und Theo Steinhauser - prüft, könnten es aber noch mehr werden.
Mit allen Folgen: Bauwerke mit Denkmalschutz dürfen nicht ohne - meist langwierige - Genehmigungsverfahren verändert werden. Bei Kirchen trifft das oft auch den Innenraum, was sogar kirchennahe Nutzungskonzepte erschwert. Ein spirituelles Zentrum oder ein Kultur- und Begegnungsraum funktionieren nicht mit festen Bankreihen, auch wenn die schützenswert sind. Eine orthodoxe Gemeinde benötigt für ihre Gottesdienste eine Ikonenwand, die aber das Erscheinungsbild des Innenraums gravierend verändert. Von Konzertsälen, Eventkirchen, Restaurants oder gar einem Verkauf an Investoren ganz zu schweigen.
Stefan Lautner, Leiter des ELKB-Baureferats, sieht die aktuelle Entwicklung deshalb mit gemischten Gefühlen: "Wir verstehen uns auf der einen Seite als Denkmalfreunde", sagt der Architekt. Andererseits sei man darauf angewiesen, Kirchen künftig anders zu nutzen und auch mal ein Gebäude mit Maximalgewinn zu verkaufen, um mit dem Erlös die denkmalwürdige Nachbarkirche aus den 1960er-Jahren - mit den typischen Sanierungsproblemen Beton und Asbest - zu erhalten.
50 Prozent des Immobilienbestands mit viel Geld zu "transformieren" und für gesellschaftliche Zwecke zu öffnen, könnten die Ortsgemeinden weder finanziell noch organisatorisch leisten - auch wenn das in der Bevölkerung viele Sympathiepunkte bringen würde und die Kirche mit neuen Konzepten "sexy werden" könnte. Lautner sieht deshalb die Öffentlichkeit in der Mitpflicht: "Kirchen haben als städtebauliche Identifikationspunkte eine gesellschaftliche Bedeutung", sagt er. Also müsse die Öffentlichkeit die Kirchen beim Erhalt der Gotteshäuser auch stärker unterstützen.
Dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege ist das Dilemma der Kirchen bekannt und durchaus nicht egal. Man sei für viele Nutzungskonzepte offen und stets zu Gesprächen bereit, sagt Generalkonservator Mathias Pfeil: "Wenn wir frühzeitig eingebunden werden, finden wir immer Lösungen." Zudem plädiert der Denkmalschutz-Chef dafür, die Ansprüche beim Umbau herunterzuschrauben, damit die Kosten nicht jedes Mal in die Millionen gehen.
Gerade der Brandschutz habe mittlerweile ein Niveau erreicht, das auf Dauer "nicht leistbar" sei, sagt Pfeil. Er fordert deshalb neben der bayerischen Bauordnung eine entschlackte "Umbau-Ordnung" für Bestandsgebäude, damit Umbaumaßnahmen nicht sämtliche Richtlinien der Bauordnung erfüllen müssen. Ob dieses sperrige Thema angesichts politischer Dauerbrenner wie Migration, Klima oder Bildung in der nächsten Zeit beim Gesetzgeber an erster Stelle steht, ist jedoch fraglich.
Denkmalschutzansprüche senken - eine Lösung?
Allerdings sehnen sich die Verantwortlichen in Gemeinden oder Kirchenämtern auch nach niedrigeren Ansprüchen seitens des Denkmalschutzes, damit neue Nutzungskonzepte leichter umzusetzen sind. Müssen von zwölf Kirchen eines Architekten wirklich neun auf die Denkmalliste? Oder reichen vielleicht drei? Auf solche Fragen schüttelt der Generalkonservator bedauernd den Kopf: "Wenn ein Gebäude eines Architekten alle Kriterien des Denkmalschutzes erfüllt, kann ich nicht die Augen zu machen", sagt Pfeil. Dass wiederum der Freistaat über die bestehenden Fördermöglichkeiten hinaus beim Erhalt von Kirchen und Klöstern einsteigt, hält der Behördenleiter für unwahrscheinlich: "Das ist nicht finanzierbar."
So läuft es beim Thema Kirchen und Denkmalschutz derzeit auf eine Patt-Situation hinaus: Alle wollen möglichst viele Sakralbauten erhalten und mit neuem Leben füllen, aber niemand hat das Geld oder die bürokratischen Entlastungen dafür. Der Landeskirche mit ihrem straffen Immobilienzeitplan läuft überdies die Zeit davon: 3.000 Gebäude innerhalb von zwanzig Jahren durch neue Konzepte ertüchtigen, mit allen dafür nötigen Sondierungs-, Genehmigungs- und Finanzierungsprozessen? Sportlich bis unmöglich. So dräut als Notlösung etwas, das maximal unsexy ist: mit Bauzaun abgesperrte Denkmäler, baulich erhalten, aber zu nichts Nutze.