Vom Sound des Kirchentages

Fritz Baltruweit sitzt mit seiner Gitarre in der Marktkirche Hannover.
epd-Bild/Jens Schulze
Der ev.-luth. Pastor und Liedermacher Fritz Baltruweit spielt einen seiner Songs auf der Gitarre in der Marktkirche in Hannover.
Liedermacher Fritz Baltruweit
Vom Sound des Kirchentages
Fast 30 Kirchentage hat der Pastor und Liedermacher Fritz Baltruweit aktiv mitgestaltet. Seine eingängigen Songs sind Ohrwürmer und in der Kirche inzwischen moderne Klassiker. Beim nächsten Kirchentag in Hannover will er sein Abschiedskonzert geben.

Zwei schnelle Handgriffe, dann öffnet Fritz Baltruweit seinen Gitarrenkoffer und nimmt sein wichtigstes Arbeitsgerät heraus. Eine Konzertgitarre, Marke "Folk friends", sechs Nylonsaiten, ein rumänisches Fabrikat. "Sie hat einen wunderbar runden Klang." Mit Instrumenten wie diesen hat sich der 69-jährige Pastor und Liedermacher aus Hannover über Jahrzehnte ein riesiges Publikum erspielt, von dem andere Sänger nur träumen können. Rund 200.000 Menschen lauschten ihm etwa 2003 vor dem Reichstag in Berlin beim Abschlussgottesdienst des Ökumenischen Kirchentags. Tausende waren es noch vor zwei Jahren beim evangelischen Kirchentag in Nürnberg.

Seit 1977 ist Baltruweit unermüdlich auf Kirchentagen und zu Konzerten unterwegs, allein oder mit seiner Band. Der Kirchentag ist seine große Bühne, und er selbst ist längst ein Stück Kirchentagsgeschichte. 29 Kirchentage hat er aktiv mitgestaltet, davon fünf in der früheren DDR. Sein Erfolgsgeheimnis: "Mir ist wichtig, dass die Leute mitsingen können." Mit seinen eingängigen Songs hat Baltruweit den Sound des Kirchentages entscheidend mitgeprägt und einen Ohrwurm nach dem anderen geschaffen. "Beim Kirchentag kann man Klangerfahrungen machen, die man sonst nicht hat."

Wenn vom 30. April bis zum 4. Mai voraussichtlich wieder rund 100.000 Teilnehmende in Hannover zum 39. Deutschen Evangelischen Kirchentag zusammenkommen, wird auch Baltruweit wieder dabei sein. Sein neuer Song zum Kirchentag ist schon fertig: "Mutig, stark, beherzt", getreu dem Motto des Protestantentreffens. Dieses Mal jedoch will Baltruweit seinen Abschied geben, ein letztes Konzert am 3. Mai in der Marktkirche. "Es ist mein dreißigster aktiver Kirchentag. Das ist für mich wie ein runder Bogen."

Als Liedermacher sieht sich Baltruweit in der Tradition von Hannes Wader oder Reinhard Mey. Sein Sound ist sanft, von Harfe, Geige, Klavier und Percussion lässt er sich gern begleiten. "In diesen Zeiten, die ja wirklich alles andere als einfach sind, bin ich froh, wenn die Leute mit einem Lächeln nach Hause gehen."

Melodien schreiben als große Freude

Das Singen lernte der Sohn eines Diakons und frühere Pfadfinder im Knabenchor. Als Schüler brachte er sich selbst das Gitarrenspielen bei und komponierte seine ersten Lieder. Genau 1.097 sind seither zusammengekommen, verewigt auf 53 Platten und CD's. Rund 500 Songs sollen bald in einem eigenen Fritz-Baltruweit-Liederbuch im Strube-Verlag erscheinen, es ist schon das fünfte.

Eine Melodie zu schreiben, sei für ihn keine Arbeit, sondern Freude, sagt Baltruweit. "Die Melodie fliegt mich an, die findet mich irgendwie." Rund die Hälfte seiner Lieder hat er auch selbst getextet, bei den übrigen greift er auf die Texte anderer Autoren zurück. So entstand auch eines seiner beliebtesten Lieder: "Freunde, dass der Mandelzweig wieder blüht und treibt".

Den Text schrieb der deutschstämmige jüdische Religionsphilosoph Schalom Ben-Chorin 1942 in Palästina unter dem Eindruck des Zweiten Weltkriegs. Ben-Chorin staunte einst darüber, dass ihm bei Vorträgen und Kirchentagen in Deutschland aus tausend Kehlen sein eigenes Gedicht entgegenschallte. Das Lied erklang auch bei der Trauerfeier für den Schriftsteller in Jerusalem.

6 Lieder stehen im Evangelischen Gesangbuch

Viele Songs von Baltruweit sind inzwischen moderne Klassiker, sechs wurden ins offizielle Evangelische Gesangbuch aufgenommen. Sein bekanntestes Lied "Gott gab uns Atem, damit wir leben" steht auch im katholischen Gotteslob und wird heute millionenfach gesungen. Manchmal setze er sich in irgendeinem Gottesdienst unerkannt in die letzte Reihe, erzählt der Liedermacher. "Und dann singen alle mein Lied. Das ist schon Wahnsinn."

Klassisch ausgebildete Musiker blickten anfangs etwas abschätzig auf den komponierenden Pastor mit der Gitarre um den Hals. Doch das hat sich gelegt. "Dadurch, dass ich im Gesangbuch vertreten bin, gibt es auch oft große Anerkennung." Heute spielen die Kirchenmusiker Baltruweits populäre Songs auf der Orgel.

Und sie wurden in viele Sprachen übersetzt. Es gibt sie auf Englisch und Spanisch, auf Tschechisch und Bulgarisch und sogar auf Japanisch und Koreanisch. Ihm selbst geht es bei alldem vor allem um eines: "Ich möchte durch das, was ich mache, die Menschen zu den wesentlichen Wurzeln ihres Lebens bringen."