Wie spirituell sind wir? Und dürfen wir das?

Wie spirituell sind wir? Und dürfen wir das?

Seit kurzem mache ich Yoga. Weil es den Körper entspannt. Da wird am Anfang "Om" gesungen und am Schluss kommt ein Gesang mit "Shanti". Bin ich in einer Sekte gelandet? Oder ist das harmlos? "Wie unterscheiden sich die Geister" war heute Thema einer Gesprächsrunde hier beim Kirchentag. Einstiegsfrage: Ist Jürgen Flieges Heilwässerchen aus evangelischer Sicht noch okay?  Petra Bosse-Huber, Vizepräses der Evangelischen Kirche im Rheinland, meint: Nein. "Ich verstehe die Reformation so, dass sie eine klare Absage an Aberglaube und Missbrauch von Religion ist. Reformation ist die Versöhnung des Glaubens mit der Vernunft."

Gibt es überhaupt noch Sekten? So richti große eher nicht. Scientology zum Beispiel sei in letzter Zeit nur in Nordrhein-Westfalen gewachsen, erklärt Andrew Schäfer, Landespfarrer für Sekten und Weltanschauungsfragen der EKiR, aber auf kleinem Niveau. Ansonsten bastelten sich die Menschen ihre eigene esoterische Lebenshilfe-Religion zusammen. (Yoga mit "Om" könnte dazugehören, ich muss wohl Acht geben!) Das seien eher Szenen und Milieus, keine Organisationen.

Vielleicht gibt es zu wenig Spiritualität in der evangelischen Kirche? Die drei Theologen auf dem Podium werden gefragt, wie spirituell sie denn selbst sind. Petra Bosse-Huber hält sich an Morgengebet und Bibellese, Andrew Schäfer an Losungen, Stille und frische Luft, und Rüdiger Maschwitz, Pfarrer i.R. und Kontemplationslehrer, versucht, den Tag mit der Stillen Zeit zu beginnen und einem Abendsegen zu beenden. Ziemlich reflektiert alle drei, typisch protestantisch.

Bei Andrew Schäfer melden sich Leute, die (oder deren Ehepartner) in die Fänge einer Sekte oder fundamentalistischen Weltanschauung geraten sind (letztere gibt es ja durchaus auch im evangelischen Bereich). Meistens, so Schäfer, lassen sich Leute von Fundis oder Esoterik-Gruppen anziehen, wenn sie in einem persönlichen Konflikt stecken und einfache Antworten. Die gibt es in der evangelischen Kirche nicht. "Wir geben zu, dass die Welt kompliziert ist", sagt Schäfer."

Bosse-Huber frotzelt: "Bei uns finden Sie nur Fragen, keine Antworten." Und widerlegt sich sogleich selbst mit der ersten Frage und Antwort des Heidelberger Katechismus', die nicht besonders schwierig ist. "Die müssen wir übersetzen für Kinder, Jugendliche, Erwachsene. Und das macht Spaß!" Übersetzen, nachdenken, erklären... Wir sind eben doch eine Religion des Wortes.

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