Biblisches Training gegen Homophobie

Biblisches Training gegen Homophobie

Guter Titel, oder? So hieß ein workshop vorhin im "Zentrum Regenbogen". Man muss einmal um die Ecke denken. Bibelverse werden von Christen bestimmter Denkrichtungen ja gern aus dem historischen Kontext gerissen und verwendet, um Lesben und Schwule der Sünde zu bezichtigen - "Es ist dem Herrn ein Gräuel" (3. Mose 18,22) Auch bei Paulus bedient man sich gern (Römer 1, 26-27, 1. Korinther 6,9). Was sollen die so Diskriminierten darauf schon antworten – es steht doch in der Bibel – Schwule kommen nicht in den Himmel, basta (Lesben, so scheint es, kommen etwas leichter rein, für sie gibt es weniger Verse).

Die Not ist groß bei jungen homosexuellen Christinnen und Christen in den betreffenden Kreisen. Was sollen sie tun bei Angriffen, für die Gottes Wort als Waffe missbraucht wird? Der schwule Hamburger Pastor Nils Christiansen, Sprecher des schwullesbischen Pastorenkonvents der Nordkirche, hatte Ratschläge für die gut 100 Leute im workshop dabei: Auf Augenhöhe diskutieren. Sich nicht abwerten lassen (selbst "Nächstenliebe" kann arrogant rüberkommen!). Und wenn "Dreck" ausgeschüttet wird: zurückschleudern.

Aber die strategischen Tipps waren nur das Eine. Viel wichtiger: Christiansen gab eine Einführung in das christlich-jüdische Menschenbild und die reformatorische Theologie, um seine Zuhörer für Streitgespräche zu wappnen. Die Kernaussagen der Bibel reden von der Gottebenbildlichkeit des Menschen, von seiner Autonomie und Würde. Christinsen: "Ich bin Gottes Ebenbild und vollkommen anerkannt ohne Wenn und Aber."

Auch den Sündenbegriff rückte der Pastor gerade: "Ich bin nicht Sünder, weil ich ein schwuler Mann bin." Sondern Sünde sei, sich als Gott aufzuspielen und den Wert eines anderen Menschen festlegen zu wollen. "Wenn jemand einer Lesbe oder einem Schwulen sagt: 'So darfst du nicht sein', dann ist das Selektion, das ist Aussortieren von Menschen aus dem Leib Christi." Der Beleg steht bei Paulus, dem Verfasser der oben genannten Anti-Homo-Verse: Alle Menschen sind gleichwertig (Galater 3,28) und alle sind Glieder am Leib Christi (1. Korinther 12).

Im Grunde ist die Strategie ganz einfach: Man/frau argumentiere mit den wirklich zentralen Aussagen der Bibel (das Sortieren in zentral und nebensächlich ist erlaubt!) und benutze dabei möglichst "fromme" Wörter. Christiansens Schlusswort: "Ich bin frei und genieße den vollen Respekt Gottes." Das ist alles. Entspannte und frohe Gesichter im workshop. Langer Applaus. Das war ein gutes Training!
 

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