Mehr als Deko

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Wie eine Twitter-Unterhaltung zu einer Art "Apostelgeschichte 2.0" wird.

Vor einiger Zeit bat meine Freundin Maria auf Twitter um Hilfe. Sie und ihr Mann waren gerade in eine neue Wohnung gezogen. Die Wände frisch gestrichen, der Boden neu verlegt, der Stuck an den Decken liebevoll restauriert. Alles perfekt. Eigentlich. Doch Maria war sich unsicher. Vielleicht fehlte noch etwas.

Ein paar Wochen bevor der bayerische Ministerpräsident Markus Söder verkündete, in sämtlichen öffentlichen Einrichtungen Kreuze aufhängen zu wollen und das dann auch tat, fragte Maria, die in Niedersachsen lebt, sich und ihre Timeline, ob sie für die neue Wohnung wohl auch ein neues Kreuz anschaffen sollte.

„Habt ihr ein Kreuz in eurer Wohnung, welches und warum?“, fragte sie ihre Follower und innerhalb weniger Stunden erhielt sie fast 50 Antworten: Menschen posteten Bilder von Kruzifixen und Korpussen und erzählten von ihren Erfahrungen und Erinnerungen, die sie mit diesem besonderen Symbol, das oft ganz selbstverständlich zur Einrichtung gehört, verbanden. Kein Kreuz schien ohne Geschichte zu sein, ohne Bedeutung, ohne Vergangenheit oder Verbundenheit. Mal aus Bronze, mal aus Holz, mal aus Ton – sie alle waren geerbt oder geschenkt, geschmiedet oder geschmückt, vertraut oder verstaubt. Mitgebracht von Reisen, aus längst vergangenen Zeiten, auf dem Flohmarkt gefunden oder als Hinterlassenschaft der Vormieter übernommen. Im Kinderzimmer und in der Küchenzeile. Aufgehängt zum Trost und manchmal auch aus Trotz. Als Druck auf dem  Waschbecken-Stöpsel oder als wächserner Umriss auf der Osterkerze. Modern oder traditionell. Minimalistisch oder opulent. Verschieden wie auch ihre Besitzer. Und doch im Kern ganz eins. Dort, wo man lebt, wo man liebt und wo man leidet, zwischen Tür und Angel: Der, auf den sich alles gründet, ein Stück greifbarer gemacht.

Die Geschichten, die sich unter Marias Frage aneinanderreihten und miteinander verbanden, lasen sich, so kurz sie auch waren, wie eine kleine Apostelgeschichte: Da gab es Menschen, die davon erzählten, welche Rolle das Christentum in ihrem Leben spielte. Und wie sich eins ihrer stärksten Symbole verbreitet hatte, Generation um Generation, weitergetragen von Wohnung zu Wohnung. Sinnbildlich, symbolhaft, segensreich.

Maria, schließlich, dankte den vielen Twitter-Aposteln und entschied sich, für die neue Wohnung kein neues Kreuz zu suchen, denn, das hatte sie aus all den Geschichten vor allem herausgelesen: „Es wird sich finden.“

 

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