Briefe von Glocki

Kirchenglocke gestohlen
Briefe von Glocki
Eine Kirchengemeinde sucht ihre Glocke. Aber vielleicht ist sie ja nur im Urlaub?

„Kirchenglocke gesucht!“ heißt es schon seit einem Monat auf der Homepage der Kirchengemeinde Berlin-Heinersdorf. Schon sehr seltsam: Die 500 Kilo schwere Bronze-Glocke aus dem 16. Jahrhundert war im Pfarrhof abgestellt. Und dann – war sie einfach weg. Nicht mehr zu sehen. Keine Spur von ihr.

War halt auch nicht abgesperrt, die Glocke, wird die Versicherung vermutlich sagen. Kenn ich vom Fahrrad. Da haben die dann auch nichts gezahlt, als es auf einmal weg war, weil es nicht abgesperrt im nicht vorhandenen Kellerraum des Ferienhauses stand. Na ja, lange her, und im Gegensatz zu Fahrrädern haben diese Glocken ja nun auch keine Räder unten dran, auf denen man sie einfach bewegen könnte.

Ob sie aufgrund des hohen Metallwerts mittlerweile einfach eingeschmolzen wurde? Wir wollen es nicht hoffen. Ohne Hilfsmittel ist so ein Dings aber ja nicht zu bewegen. 500 Kilo, Sie wissen schon. Ohne LKW oder wenigstens einen Anhänger, ohne einen kleinen Kran oder etwas ähnliches kommt man da wirklich nicht weit. Ziemlich frech, einfach vorzufahren und die Glocke abzutransportieren.

Viel besser gefällt mir der Gedanke, die Glocke wollte vielleicht einfach mal Urlaub machen. Ist ja jetzt die Zeit dafür, und nach 500 Dienstjahren kann man sich das schon mal genehmigen. Also machte sich unsere Glocke mitten in der Nacht auf den Weg, nahm den nächsten Bus (den Bimbambus, haha) oder die U-Bahn zum Berliner Hauptbahnhof, zwängte sich durch die Menschenmassen und ließ sich in einem unbenutzten Schlafwagenabteil des Nacht-Glockenzugs nieder, sagen wir, gleich mal nach Rom. Passend für eine Glocke.

In Rom traf sie ihre vielen Verwandten. Sie tranken Glockenblumentee aus Glockenbechern, spielten gemeinsam lustige Glockenspiele und hatten einfach eine glöckliche Zeit. Dann reiste unsere Glocke weiter ans Meer, genoss ein paar Tage Sommer, Sonne, Glockenbrand. Und weiter ging’s, nach einem kurzen Abstecher zu den Kolleginnen im Vatikan, erst mal in die Alpen, die unermüdliche Arbeit der kleinen Kuhglocken bewundern. Und nun wieder Richtung Norden. Kurzer Besuch beim Dicken Pitter in Köln. Gerade ist unsere Glocke auf dem Weg zum Nordpol, wo sie zur Weihnachtszeit eintreffen will, Sie wissen schon, die Werkstatt des Weihnachtsmanns besuchen und so. Leider hat sie derzeit etwas Probleme, ein Visum für Großbritannien zu erwerben, wo sie unbedingt auch mal einige Verwandte besuchen will, wenn sie schon auf dem Weg ist.

Kennen Sie die Bücher „Briefe von Felix“? Der kleine, süße Knuffelhase ging eines Tages verloren – und begann, aus aller Welt Briefe von seinen Abenteuern nach Hause zu schreiben. So ähnlich macht das unsere Glocke auch. Egal, wo sie ist: Mindestens eine Ansichtskarte schickt sie nach Hause an ihre heimische Kirchengemeinde. Leider, leider hat sie sich aber die Adresse falsch gemerkt, so dass ihre gesamte Post letztlich in einem postlichen Rätselzentrum für nicht zustellbare Postsendungen landet, die mangels Absenderangaben aber auch nicht zurückgeschickt werden können.

Blöd gelaufen, ehrlich. In Berlin kann das leider selbst mit völlig korrekt adressierten Briefen passieren. Ich kenne da eine Adresse, bei der trotz vorhandenen Briefkastens seit langem nicht mal die Briefe offizieller Stellen wie etwa des Finanzamts zuverlässig zugestellt werden.

Liebe Rätselmitarbeitende bei der Post, wenn Sie das hier lesen: Die Briefe sind für die Kirchengemeinde Berlin-Heinersdorf bestimmt. Einfach dort abgeben! Und, liebe Kirchengemeinde, machen Sie sich keine Sorgen. Spätestens im neuen Jahr kommt die Glocke gut erholt und bestens gelaunt wieder zu Ihnen zurück.

Sollten Sie aber irgendwo eine Kirchenglocke am Strand oder im Zug sehen, geben Sie doch einfach in Berlin Bescheid! Wir wünschen der Kirchengemeinde von Herzen Erfolg beim Wiederfinden ihrer Glocke.

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