Alles für den Gottesdienst?

Alles für den Gottesdienst?
Die Theologin Dorothea Wendebourg beklagt die schlechte Qualität des Sonntagsgottesdienstes

OK, ich gebe es zu: Diesen Artikel schleppe ich jetzt schon eine ganze Weile mit mir herum. Weil ich eigentlich erst einmal gar keine richtige Lust hatte, ihn zu schreiben, aber mir das Thema doch sehr wichtig ist.

Also: Bereits im Juni ging die Klage der Berliner Professorin Dorothea Wendebourg durch die sozialen Medien, die (evangelische) Kirche sei wegen ihrer Vernachlässigung des Sonntagsgottesdienstes in akuter Gefahr, auszusterben. Was da nicht alles schief läuft nach ihrer Meinung: „Fehlende Disziplin und Lebendigkeit“. Das verstehe ich schon mal gar nicht: Erstens – warum und wozu braucht es „Disziplin“ im Gottesdienst? Vor meinem geistigen Auge sehe ich da eine Szene wie in einer Schule vor hundert Jahren, wo alle Schülerinnen und Schüler aufstehen und zackig „guten Morgen, Herr Lehrer!“ brüllen. Nun also aufstehen und auf „Der Herr sei mit euch“ in Kasernenton antworten „und mit deinem Geiste!“ und sich dann zackig wieder hinsetzen? Des weiteren frage ich mich sehr ernsthaft, wie man „diszipliniert lebendig“ einen Gottesdienst feiern kann. Also, für mich ist da ein gewisser Widerspruch. Aber, was soll‘s. Es geht ja noch weiter: Die Predigten seien schlecht vorbereitet. Ah so, ja. Na klar, Frau Wendebourg. Natürlich fällt uns Pfarrerinnen und Pfarrern manchmal auch nichts Gescheites ein, aber ich habe doch auch schon sehr, sehr viele gute und ansprechende Predigten gehört. Natürlich auch langweilige. Vielleicht ist es ja auch eine Wesens-Sache? Nicht jede Pfarrerin, jeder Pfarrer kann gleich gut predigen. Vielleicht sind sie umso besser in der Seelsorge oder im Gemeindeaufbau?

Überhaupt, ach, die Gottesdienstzentrierung fehle ihr, so die Theologin. „Mit leeren Kirchen gibt es gar kein Christentum mehr“, meint sie. Ach wirklich? Ich sehe so viel christliches Engagement überall. Christinnen und Christen, die sich für andere einsetzen. Gruppen, die sich treffen und miteinander beten. Bibelkreise und Glaubenskurse. Kirchenchöre, Posaunenchöre. Nur der Gottesdienst: Der hat in der Tat nicht mehr die Bedeutung, die ihm einmal zukam. Ist das schlimm? Ich bin mir nicht sicher, wirklich nicht. Aber wenn ich das vielfältige Engagement in unseren Gemeinden sehe, dann ist mir um den christlichen Glauben nicht bang. Ja, unsere Gemeinden schrumpfen. Und ja, insbesondere der Gottesdienstbesuch geht zurück. Aber vielleicht ist das auch unsere Chance, wieder neu zu überdenken: Warum und wie feiern wir unsere Gottesdienste eigentlich? 

Für Frau Wendebourg ist ganz klar: Das große Problem sind die schlechten Predigten. Entsprechend einfach ist ihr Rezept: Besser predigen, schon kommen die Leute wieder. Dazu noch gute Kirchenmusik, und alles ist top. Ob das wirklich funktioniert? Manchmal vielleicht ja. Aber unsere Gemeinden sind doch so viel mehr als das. Da gibt es Menschen, die nicht mal Kirchenmitglieder sind, aber im Kirchenchor mitsingen. Andere, die niemals eine Predigt anhören würden, aber sich im Kirchenasyl engagieren. Menschen, die seit Jahrzehnten treu den Gemeindebrief austragen, aber sonst nichts mit der ganzen Sache zu tun haben wollen. Sollen wir die Lebendigkeit unserer Gemeinden wirklich nur am Gottesdienstbesuch messen?

„Die Gottesdienstzentrierung fehlt“, beklagt Wendebourg. Wäre es nicht viel besser, wir würden uns auf Jesus konzentrieren? Der hat beides getan: Gepredigt – und sich den Menschen und ihren Nöten zugewendet.

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