Vor einigen Jahren schrieb ich, beflügelt durch das Hören ähnlicher Geschichten auf einer Adventsfeier, eine möglichst sinnfreie Adventsgeschichte. Schön anzuhören, stimmungsvoll, aber eigentlich ohne jegliche Aussage. Als ich nun auf Facebook wieder mal darauf verlinkte, meinte jemand: „Schreib doch mal eine Geschichte mit Sinn.“
Ich glaube: Das ist tatsächlich viel schwieriger als das Gegenteil. Mir fallen auch viele wunderschöne Erzählungen ein, vor denen ich den Hut ziehe. „Der vierte König“ beispielsweise. Und natürlich das Lukasevangelium, Kapitel 2. Mit solchen möchte ich mich gar nicht erst messen. Und doch – hier ist meine eigene Weihnachtserzählung.
Es war einmal ein armes, kleines Mädchen, das hatte nichts mehr zu Essen. Vater und Mutter lagen schon seit langem krank zu Hause und das Mädchen pflegte die beiden, so gut es konnte. Ihr Hunger war riesengroß. Mit letzter Kraft zog das arme Mädchen seinen alten, fleckigen Mantel an und schleppte sich in seinen zerschlissenen Kleidern auf die staubige Straße, um irgend etwas zu Essen zu finden.
Da sah es am Straßenrand einen alten Bettler sitzen. Er zitterte vor Kälte. „Hier, nimm meinen Mantel!“ sagte das Mädchen zu ihm. „Ich bin jung und kann die Kälte noch besser ertragen als du.“
„Hab Dank, du liebes Mädchen!“ antwortete der Bettler. „Hier hast du meinen letzten Kanten Brot. Es ist nicht viel, aber ich sehe, welch großen Hunger du hast.“
Das kleine Mädchen wurde fast ohnmächtig von dem süßen Duft des alten Brotes. Und doch wagte es nicht, auch nur daran zu knabbern, denn es dachte an Vater und Mutter, die zu Hause im Bett lagen, hungerten und auf es warteten.
Es schleppte sich weiter die einsame Straße entlang, doch irgendwann konnte es einfach nicht mehr weiter. Das arme Mädchen sank zusammen und blieb liegen, wo es war. Doch was war das? Ein heller Schein umgab es. Eine glockenhelle Stimme sprach zu dem Mädchen: „Komm zu mir! Bei mir wirst du Frieden finden.“
Auf einmal war die Straße verschwunden. Das Mädchen stand in einem Stall. Helles, warmes Licht erfüllte den Raum. Ein Ochse drehte sich schnaubend um und schubste das Mädchen in Richtung einer Futterkrippe. Erst jetzt nahm es wahr, dass in dieser Krippe ein neugeborenes Kind lag. Vater und Mutter standen lächelnd dabei. Was für ein schönes, friedvolles Kind! Das arme Mädchen wollte dem kleinen Kind so gerne etwas schenken, doch das einzige, was es noch besaß, war das kleine, alte Stück Brot. Das legte es dem Kind in die Hand.
Da hörte es wieder die Stimme in seinem Kopf. „Behalte dein Brot! Es wird dich immer sättigen. Aber erzähle niemandem davon!“
Dann war das Licht verschwunden. Das Mädchen fand sich auf der einsamen Straße wieder, wo es zusammengebrochen war. Erfüllt von einer tiefen, unerklärlichen Freude und von neuer Kraft, eilte es nach Hause und gab seinen Eltern das Brot. Doch was war das? So oft sie auch ein Stück von diesem Brot abbrachen, das Brot ging niemals zu Ende. So aßen sich alle an dem kleinen Brot satt. Vater und Mutter wurden wieder gesund und kräftig. Und als es ihnen wieder besser ging, verschenkten sie das Brot an einen armen Bettler. Der gab es später weiter an eine alte, einsame Frau.
Heute noch, zweitausend Jahre später, wird dieses Brot von Mensch zu Mensch weitergegeben und lindert größte Not. Doch niemand außer denen, die es besitzen, hat jemals davon erfahren. Denn das hatte das Mädchen dem Kind versprochen.
Dies war das erste Wunder, das Jesus bewirkte, noch bevor die Hirten bei ihm eintrafen. Bis heute wirkt es dort weiter, wo Menschen sich liebevoll einander zuwenden und die Not des anderen sehen.