Ich war nämlich dort. Genauer gesagt, ich war: in einer Turnhalle, in einer Kirche, in einem Klassenzimmer mit der Nr. 127.
In der Turnhalle haben andere und ich Geschichten vom Himmel erzählt. Eine sang „Fly me to the Moon“. Einer hatte 100 Butterbrottüten vorbereitet mit je einem herzförmigen schweizerischen Honiggebäck und einem herzförmigen Fläschchen mit Traubensaft - für jede*n von uns. Er sagte: Es möge allen schmecken. Und: Zum Wohl also!
Und wir aßen und tranken. Friede war mit uns.
In der Kirche hatte ein Künstler 5 Nägel mit Treibkeilen in die Steinwand hinterm Altar geschlagen. Treibkeile sind dazu da, den Stein so unter Spannung zu setzen, dass er irgendwann Risse bekommt und sich spaltet.
Im Klassenzimmer 127 schnitten Menschen Löcher in Papier, um den Himmel hindurch zu sehen. Sie legten sich in ein leeres Regalfach. Verschütteten Kaffee und entdeckten Tiere in den Flecken. Sie behandelten für eine Weile die Dinge, die sie in ihren Rucksäcken fanden, wie heiliges Altargerät.
Ich war auf dem Katholik*innentag und anscheinend heißt er Katholikentag. Ganz bestimmt wurde irgendwo auf einem Podium oder zwei oder drei darüber geredet, ob wohl ein gemeinsames ökumenisches Abendmahl möglich sei irgendwann und irgendwie und was es dazu noch brauche, vor allem Geduld, vermute ich mal. Bestimmt gab es welche, die sagten, man dürfe Kirchen nicht unter Spannung setzen und müsse Jesus und G*tt und die Kirche beschützen vor diesem und jenem und wahrscheinlich auch vor Frauen wie mir zum Beispiel. Und womöglich waren irgendwo Dinge und Menschen, die heiliger sind als andere - ich weiß nur nicht, wo.
Es ist mir ehrlich gesagt auch egal. Denn Liebe und Friede war mit uns. Und Gebäck und Saft und Jesus. Die Kirche, zu der ich gehöre, hat längst Risse. Durch die fällt das Licht und fährt der Wind. Es gibt nicht mehr draußen und drinnen. Diese Kirche hat Zwischenräume, in die wir uns legen. Für einen Moment machen wir dann die Augen zu und wenn wir sie wieder aufmachen, bringt uns eine ein Stück Schokolade.
Wochenaufgabe:
Finde Risse und Lücken. Und lass dir was schmecken. In Kirchen, auf U-Bahnhöfen, zuhause und wo du sonst noch so bist.