Weinen mit Franziskus?

Weinen mit Franziskus?
Foto: Matthias Albrecht
Zwei ehemalige Nonnen schließen den Bund fürs Leben. Menschen auf der ganzen Welt freuen sich mit ihnen. Der Papst hingegen drückt seine Traurigkeit darüber aus. Sollen wir als Christ_innen nun mit Franziskus weinen oder mit den beiden Frauen Freudentränen vergießen?

Im Brief an die Römer_innen empfiehlt Paulus der christlichen Gemeinde: "Freut euch mit den Fröhlichen" (Röm 12,15). Und so dürften es wohl auch viele gehalten haben, als sich vorkurzem die beiden ehemaligen Nonnen Frederica und Isabel das "Ja-Wort" gaben. Die große Anteilnahme am Glück der beiden Frauen war in den Medien international zu verfolgen. Mit wenig Freude reagierte allerdings das Oberhaupt der katholischen Kirche. So ließ Kurienerzbischof Angelo Becciu über den Nachrichtendienst Twitter verlauten: "Wie viel Traurigkeit stand dem Papst ins Gesicht geschrieben, als er die Nachricht von den verheirateten Ordensschwestern gelesen hat".

Sollte mensch angesichts dieser Äußerung auch den zweiten Teil des Paulus-Verses beherzigen: "Freut euch mit den Fröhlichen und weint mit den Weinenden"? Ich für meinen Teil habe Schwierigkeiten, gemeinsam mit dem Bischof von Rom über den Lebensbund der ehemaligen Ordensschwestern zu weinen, höchstens kann ich traurig über den Geistlichen sein. Vielmehr noch lässt mich seine Reaktion verständnislos und ein Stück weit entsetzt zurück.

Weinen kann ich mit dem Papst über das Nichtstun, durch das sich unsere steinreiche Gesellschaft an unzähligen hilfesuchenden Flüchtlingen versündigt. Weinen kann ich mit ihm über den sexuellen Missbrauch von Kindern, sowie dessen jahrzehntelange Vertuschung. Und weinen kann ich mit ihm über ein Wirtschaftssystem, das Menschen zu humanem Kapitel degradiert. Aber über die Lebenspartnerinnenschaft von Frederica und Isabel, nein, darüber kann ich mit Franziskus nicht weinen.

Bei den drei erstgenannten Dingen geht es um das Fehlen der Liebe. Dort werden Menschen ihrer Würde beraubt und das widerspricht dem Evangelium von Jesus Christus. In unserer Ohnmacht darüber können wir tatsächlich oft nur gemeinsam weinen. Und es ist gut, wenn wir das tun. Denn wo wir mit den Weinenden weinen, achten wir ihre Würde, auch dann, wenn wir ansonsten wenig für sie tun können. Die Liebe zweier Menschen aber widerspricht dem Evangelium nicht, niemals. Liebe kann dem Evangelium doch immer nur entsprechen. Liebe ist gelebtes, im Menschen erlebbares Evangelium. Wie sollte ich deshalb anders empfinden, als mich zu freuen, zu freuen wenn da zwei Frauen sind, die Gott von Herzen lieben, für ihn brennen, sich offenkundig durch seinen Heiligen Geist gefunden und nun gegen alle Widrigkeiten entschieden haben, ihre Beziehung nicht nur unter den Schutz des Staates, sondern zu allererst unter den Segen ihre Schöpfers zu stellen?

Wie kann es eine Bedrohung für Ehe und Familie sein, wie es Franziskus – und längst nicht nur er – sagt, wenn zwei Menschen so sehr nach dem Segen Gottes dürsten, dass sie sich so wie Frederica und Isabel unter prekären Umständen segnen lassen? Und wenn die beiden in den kommenden Tagen Hand in Hand irgendwo in Italien, vielleicht an einem Strand, spazieren gehen und einander in die liebenden Augen schauen, warum sollte das eine Gefahr für die Gesellschaft sein?

Es erscheint so, als ob sich ein Teil der Christenheit auf einem unheilvollen Weg befindet, den dieser gemeinsam mit anderen radikalen Kräften beschreitet. Weltliche Gesetze, die Menschen seit langen Zeiten plagen, wie das Eheprivileg für heterosexuell Liebende, erheben sie auf den Thron, der eigentlich dem Herrn gebührt, dem sie dienen sollten. Ein heteronormatives Familienbild, das so weder im Alten noch im Neuen Testament bezeugt ist, wird zu einem Heilsversprechen aufgebauscht, so als ob diejenigen, die das tun, nicht wüssten, dass unser Heil allein in Christus liegt. Es ist dieser Tanz um das Goldene Kalb der Heterosexualität und seine unheilvollen Früchte, die mich entsetzen.

Was ist das für eine bittere Frucht, wenn ein Bruder seinen Schwestern in Christus öffentlich erklärt, er sei traurig über ihre Freude wegen ihres Lebensbundes? Wahrlich kein Akt der Nächstenliebe, die uns Christus als höchstes Gebot mitgibt (Mt 22,39). Fragen darf mensch sich auch, was aus Franziskus Anspruch geworden ist, die Kirche sollte Homosexuelle um Vergebung für das von ihr an ihnen begangene Unrecht bitten. Ist ihm nicht klar, dass er gerade gegenteilig handelt, mal wieder? Tröstlich ist es da zu sehen, dass die gestreute Zwietracht es nicht vermag, die Freude über das Glück, das Gott Frederica und Isabel geschenkt hat, ernstlich zu trüben. Und das ist ein starkes Zeichen dafür, dass die Liebe Gottes, deren Funken er immer wieder in uns Menschen für einander entflammen lässt, die stärkste Kraft im Himmel und auf Erden ist. Darum bete ich:

"Herr segne Frederica und Isabel in Ihrer Lebenspartnerinnenschaft, stärke und bewahre sie vor Anfechtungen und öffne denen das Herz, die sich jetzt noch nicht über ihre Liebe freuen können. AMEN."

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