"Ausgerechnet du als vernunftbetonter Mensch und Physikstudent fängst nun an, regelmäßig in die Kirche zu gehen?" Gerade Menschen, denen schon mein Studienfach eher fremd war, konnten Mitte der 90er mein neu- oder vielleicht wiederentdecktes Interesse am Glauben kaum fassen. Ist Glaube nicht das Gegenteil von Wissen?
Verstehen wir heute die Welt und den Menschen nicht auf objektive, rational begründete und methodisch gesicherte Weise - statt Dogmen nachzubeten, die sich nur auf fragwürdige Autoritäten stützen können, statt wissenschaftlich bewiesen zu sein? Hat nicht die Aufklärung das finstere Mittelalter abgelöst, wurden im Laufe des Siegeszugs der wissenschaftlichen Vernunft nicht Glaubenssätze, biblische Wundergeschichten und alles Übernatürliche ins Reich der Mythen und Legenden verbannt?
Glaube = Nichtwissen?
Diese Einstellung, dass Glaube und Wissenschaft doch bitteschön unmöglich zusammenpassen können, scheint weit verbreitet. "Glauben heißt schließlich: nicht wissen", damit wird das Thema oft abgehakt. Andererseits haben Umfragen unter Wissenschaftlern - meist in den USA, wo Glaubensfragen weit stärker in der öffentlichen Diskussion präsent sind - immer wieder gezeigt, dass ein großer Teil der Forscher durchaus keinen grundsätzlichen Widerspruch zwischen Wissenschaft und Religion sieht (vgl. zuletzt hier ). Und mehr noch: Viele Wissenschaftler bezeichnen sich selbst als gläubig (siehe etwa hier und hier).
Auch für mich war es kein Problem, begeistert und erfolgreich Physik zu studieren und mich gleichzeitig in einer christlichen Hochschulgruppe zu engagieren. Gott hat den Menschen Verstand geschenkt, also sollten wir ihn benutzen - auch, um die Natur zu erforschen und zu verstehen: Das ungefähr war mein Motto, um die friedliche Koexistenz von Wissenschaft und Glaube in meinem Leben zu rechtfertigen. Viele schwierigen Fragen blieben dabei freilich erst mal außen vor.
Zwar hat eine grobe Trennung der Zuständigkeiten von Wissenschaft und Religion durchaus ihre Berechtigung: Kausalzusammenhänge vs. Sinnfragen, messbare Vorgänge vs. Innerlichkeit, Wie- vs. Warum- und Wozu-Fragen. Trotzdem lässt sich vieles auch nicht so einfach in eine der Schubladen einsortieren. Denn wie lassen sich wissenschaftliches Weltbild und Wunder zusammenbringen? Wo bleibt eigentlich noch Raum für Gott, wenn die Naturwissenschaft vom Elementarteilchen bis zum Sternenhimmel, von der unbelebten Welt bis zu den Vorgängen im Gehirn alles erklärt? Wie passen historische Erkenntnisse zu den biblischen Berichten, wie leidvolle, oft sinnlos erscheinende Erfahrungen zu einem gütigen Vater im Himmel?
Diskussion statt Konflikte!
Auch lässt sich nicht leugnen, dass seit Galileo Galilei immer wieder Konflikte zwischen Religion und Wissenschaft aufflammen. Dass viele Menschen beides für unvereinbar halten und sich ganz auf eine Seite schlagen, wo doch Dialog so sinnvoll wäre. Wie also können Wissenschaft und Religion miteinander ins Gespräch kommen, voneinander profitieren, mit- statt gegeneinander wirksam werden, zum Wohl der Menschen und der Gesellschaft?
Um solche Fragen soll es in diesem Blog gehen. Und zwar weder als systematische Abhandlung noch (hoffentlich!) als Einweg-Kommunikation. Als Journalist, der sich immer mal wieder in das Grenzgebiet von Glaube und Wissen(schaft) wagt, kann ich Berichte von Recherchen einbringen, auch eigene Eindrücke und Überlegungen - für fertige Erkenntnisse und abschließende Weisheiten fühle ich mich aber weniger zuständig. Ich hoffe also auf vielfältige Reaktionen und dass eine Diskussion entsteht!
Deshalb zum Schluss zwei Bitten an alle Interessierten (und solche, die es werden könnten):
- bleibt dran (gerne auch per RSS-Feed)
- schreibt, was euch durch den Kopf geht, egal ob Kommentar, Frage, Einwand oder Anregung - entweder mit der Kommentarfunktion am Ende jedes Blogposts oder als direkte Nachricht an mich (hier bei evangelisch.de oder per E-Mail)!
Ich bin gespannt!
Ulrich Pontes hat Physik und Philosophie studiert und arbeitet als freier Journalist in Mainz und Heidelberg. Besonders interessieren ihn die Schnittstellen der Wissenschaft zu anderen Aspekten des Lebens: Wissenschaft und Gesellschaft, Wissenschaft und Menschenbild, Wissenschaft und Werte - oder eben Wissenschaft und Glauben. Infos: www.wissenschaft-und-mehr.de