Zweimal im Monat organisiert Melanie Hoffmann das Treffen "Kinder mit Extras" in der Familienbildungsstätte in Leck (Kreis Nordfriesland). Ihr dreijähriger Sohn Max kann hier mit anderen Kindern spielen und Spaß haben. Max hat Trisomie 21, auch bekannt als Down-Syndrom.
"Kinder mit Extras" habe sie als Treffpunkt für betroffene Familien ins Leben gerufen. "Das Schöne ist, dass Max Kontakt hat zu anderen Kindern und ich als Mutter mich austauschen kann, über die Probleme, die wir im Alltag haben", erklärt sie. Mit den anderen Eltern spricht sie über Erkrankungen und Angewohnheiten der Kinder, aber auch darüber, welche Ärzte besucht werden und wo die Eltern positive oder negative Erfahrungen gesammelt haben. Wenn alle da sind, kämen momentan sechs Kinder im Alter von eineinhalb bis acht Jahren zu den Treffen.
Nachdem Max 2021 mit Trisomie zur Welt gekommen ist, fühlte sich Melanie Hoffmann alleine und uninformiert: "Wir hier auf dem Land müssen uns unsere Informationen selber aneignen. Vieles geht leider unter." Großes Thema bei Familie Hoffmann zurzeit ist die Krankenzusatzversicherung. Die könne bis zum sechsten Lebensmonat abgeschlossen werden, ohne Gesundheitsfragen - etwa nach der Trisomie - beantworten zu müssen. Das habe die 41-Jährige allerdings nicht gewusst. "Jetzt ist er drei und ich hätte sie gerne. Aber jetzt muss ich die Fragen beantworten und die Versicherungen nehmen ihn nicht mehr an."
Außerdem spüre sie auch die zeitlichen Belastungen zwecks mangelnder Angebote auf dem Land. Die Wartelisten für Logopädie und Physiotherapie im Umkreis seien lang. In größeren Städten würde sie wahrscheinlich schneller einen Platz für Max bekommen, müsse dann aber eine lange Anfahrt in Kauf nehmen. Auch deshalb wünscht sie sich mehr Angebote auf dem Land.
Unterstützungsangebote nicht überall vorhanden
In Flächenländern wie Schleswig-Holstein gebe es häufig geografisch bedingte regionale Unterschiede. "Die Angebote für Menschen mit Behinderung bestehen vorrangig in den Oberzentren und Städten. Für viele Menschen, die in ländlichen Regionen leben und einen Unterstützungsbedarf haben, ist das problematisch", erklärt Michaela Pries, Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderung in Schleswig-Holstein.
Auch deshalb müsse Inklusion immer mehr als Querschnittsaufgabe verstanden werden, sagt Pries. "Inklusion beginnt in den Köpfen, es geht also um 'Haltung'. Dazu müssen Begegnungen und damit einhergehend der Abbau von Berührungsängsten und Vorbehalten möglich sein", sagt die Landesbeauftragte. Dazu müsse die Öffnung der Regelsysteme, wie Kita, Schule, Beruf und Freizeitangebote, weiter verbessert werden. Damit einher gehe auch eine umfänglichere Barrierefreiheit unter anderem im öffentlichen Raum: "Teilhabe kann eben nur gelingen, wenn alle Menschen gleichermaßen Zugang haben." Deshalb fordert sie den Abbau von "Sonderwelten", in denen Menschen mit Behinderung separiert leben, lernen, arbeiten und wohnen.
Die Existenz dieser Sonderwelten nimmt Melanie Hoffmann deutlich wahr. Das Leben auf dem Land mit Behinderung sei vor allem von mangelnder Sichtbarkeit geprägt. Sie sehe in ihrem Alltag nur wenige Menschen mit Behinderung im öffentlichen Raum. Deshalb veranstaltet Hoffmann am Welt-Down-Syndrom-Tag (21. März) am Freitag bereits zum zweiten Mal ein Fest für Kinder mit Behinderung, deren Eltern, Verwandte, Freunde und werdende Eltern von Kindern mit Trisomie. Die Feier findet dieses Jahr im Tierpark in Gettorf statt. Nicht nur mit dem Fest, sondern insgesamt hofft sie auf mehr Sichtbarkeit: "Damit die Gesellschaft versteht, wir sind nicht alle gleich, aber wir gehören alle hier her - und sind gut, so wie wir sind."
Lesen Sie hier die Geschichte einer Familie, die bewusst Kinder mit Trisomie21 adoptiert hat.
Mehr zu Trisomie 21
In Deutschland wird nicht statistisch erfasst, wenn ein Kind mit Trisomie 21 zur Welt kommt. Schätzungen zufolge leben 30.000 bis 50.000 Menschen mit Down-Syndrom in der Bundesrepublik. Die Genvarianz äußert sich laut Berufsverband der Kinder- und Jugendärzt*|innen im Erscheinungsbild, in einer verzögerten motorischen Entwicklung sowie einer stark unterschiedlich ausgeprägten Intelligenzminderung. Demnach seien nur wenige Betroffene (8 Prozent) hochgradig geistig behindert. 1866 berichtete der britische Arzt John L. H. Langdon-Down erstmals von Trisomie 21.