Liebe evangelisch.de-Nutzerinnen und -Nutzer,
am Freitag wurde ich im ICE erkannt. Nicht als Privatperson von einem alten Bekannten, sondern als Portalleiter von evangelisch.de. "Entschuldigen Sie, arbeiten Sie für die Kirche?" Der Mensch (wenn er dies liest: Sie dürfen sich gerne in den Kommentaren zu erkennen geben, wenn Sie möchten) hatte mich anhand meines Fotoes hier auf evangelisch.de erkannt, sich ein Herz gefasst und mich dann angesprochen.
Als ich das auf Facebook erzählte, kam direkt die Rückfrage, was ich denn auf die Einstiegsfrage geantwortet hätte. Gute Frage! Denn ist es denn so, dass jemand, der für evangelisch.de - ein publizisisches Portal im Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik - "für die Kirche" arbeitet?
Ich habe geantwortet: "Ja, kann man so sagen - wie kommen Sie drauf?" Ich werde nicht gern für etwas gehalten, was ich nicht bin - ich bin kein Pfarrer, kein Diakon, kein Seelsorger. Aber natürlich arbeite ich für die Kirche, schließlich ist das GEP das zentrale Medienwerk für die EKD, Landeskirchen und Werke und wird unter anderem aus dem EKD-Haushalt finanziert. Und unsere Seite trägt "evangelisch" im Namen. Dann zu sagen: Nein, ich arbeite nicht für die Kirche, wäre seltsam, vor allem wenn man die Kirchendefinition der Confessio Augustana (siehe Kapitel 8) im Hinterkopf hat.
Mit der Frage "arbeiten Sie für die Kirche?" schwingen aber immer gleich Erwartungen mit. Mir wäre die Frage lieber: "Arbeiten Sie für evangelisch.de?" Denn erstens hat der oder die Fragende dann direkt evangelisch.de im Kopf, was ich natürlich nur begrüßen kann. Und zweitens ist der Kontext dann klar. Denn "für die Kirche arbeiten" bringt zugleich auch immer weit gestreute Erwartungen mit. Die einen erwarten Kritik an der Amtskirche von innen, die anderen erwarten reine Verkündigung, wieder andere finden, man sollte alles für die Armen und Schwachen tun und sonst nichts, und noch wieder andere finden Kirche sowieso komisch.
Ich hatte schonmal ein ähnliches Gespräch im ICE, in einem voll besetzten Speisewagen. Da kam ich mit meinem Gegenüber ins Gespräch über Gott und Glaube und hatte eine sehr interessante, anregende halbe Stunde, in der er mir auseinandersetzte, warum er nicht mehr glauben kann. Ich habe ihn darin bestärkt, nicht mit der Suche aufzuhören, denn ein Glaubens- und Gottesverständnis, das am Kern Jesus Christus ansetzt, kann ganz viele Ausprägungen haben. Den Glauben aufzugeben, weil man mit dem Wortlaut der Bibel nichts anfangen kann, ist gar nicht nötig, habe ich ihm gesagt. Ich weiß nicht, was aus ihm geworden ist, aber ich hoffe, er hat sich zumindest weiter Gedanken gemacht.
Das ist auch Arbeit für die Kirche, ebenso wie das journalistische Arbeiten und Herangehen an die Welt, wie wir es hier auf evangelisch.de machen. Das ist ein anderes Arbeiten "für die Kirche" als es beispielsweise eine Gemeindepfarrerin in Echzell tut. Wir stellen uns diese Frage auch immer wieder: Arbeiten wir für die Kirche? Nicht immer ist jede*r von Ihnen da draußen einverstanden damit, wie wir das tun. Aber um das zu klären, sind ja auch Gespräche im ICE da.
Der Mensch, der mich am Freitag ansprach, wünschte sich übrigens eine "ausgewogenere Berichterstattung". Ist notiert.
Ich wünsche euch und Ihnen ein gesegnetes Wochenende!
P.S.: Unsere Serie "evangelisch.de besucht Freikirchen" finden Sie hier.
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Ich werfe immer am Samstag an dieser Stelle einen Blick auf die vergangene Woche und beantworte außerdem Ihre Fragen zu evangelisch.de, so gut ich kann. Ich wünsche euch und Ihnen einen gesegneten Start ins Wochenende!