Ihre Fragen, unsere Antworten - Folge 14: Wer wird hier eigentlich verfolgt?

Ihre Fragen, unsere Antworten - Folge 14: Wer wird hier eigentlich verfolgt?
Wo kommt eigentlich das Gefühl her, zu kurz zu kommen, wenn Minderheiten viel Aufmerksamkeit bekommen? Das fragt sich Portalleiter Hanno Terbuyken angesichts der jüngsten Leserkommentare.

Liebe evangelisch.de-Nutzerinnen und -Nutzer,

wer wird hier eigentlich verfolgt? Das habe ich mich angesichts vieler Kommentare aus der vergangenen Woche gefragt. Es geht - mal wieder - um Homosexualität. Hier drei Beispiele, was für Kommentare auf evangelisch.de dazu eingehen (die ersten beiden haben wir unter den entsprechenden Inhalten nicht veröffentlicht):

"... laden zu einer Gedenkfeier für HIV-positive / an AIDS-erkrankte Menschen ein ..." - dies könnte man auch immer wieder als Ausgrenzung Anderer fühlen ... [...] Einerseits haben Sie offensichtlich viele Freiheiten; fühlen sich durch WENIGE bedroht? Wer wird hier diskriminiert? Teilnehmer am "Marsch für die Familie" sind fundamentalistisch (Sie sind tolerant?); sonstwie-feindliche Menschen? Dies erscheint mir reichlich pauschal verurteilt.

Oder dieser, ebenfalls nicht veröffentlicht:

Hierzulande gibt die bereits unerträgliche,aufdringliche und präpotente Intoleranz der sexuellen Minderheiten gegenüber dem Anstandsempfinden der Mehrheit noch größeren Anlass zur Besorgnis.

Oder dieser, von Horst Weihmann:

"Wie viel Aufmerksamkeit geben sie eigentlich verfolgten Christen. Sind wir Christen oder ein Homoverband. Was soll das?"

Ich habe mich beim Lesen und beim Nachdenken über diese Kommentare gefragt: Wo kommt dieses Gefühl her, zu kurz zu kommen, wenn eine Minderheit mehr Aufmerksamkeit bekommt als eine Mehrheit? Und wann ist eigentlich dieses schwachsinnige Pseudo-Argument aufgekommen, dass diejenigen, die mit Worten oder Taten angegriffen werden, doch bitte Verständnis dafür aufbringen sollten, dass die Angreifer sich diskriminiert fühlen?

Kommentare wie diese sind ein Beleg dafür, dass die Klage vieler Homosexueller, sich in der evangelischen Kirche nicht willkommen zu fühlen, noch immer eine Grundlage hat. Eine besondere Situation ist sicherlich der "Marsch für das Leben" in Berlin, der inhaltliche Positionen vertritt, die ebenfalls nur eine Minderheit für sich beansprucht. (Das sehen die Teilnehmer anders, ich weiß.) Es gibt aber einen wesentlichen Unterschied zwischen der Diskussion um inhaltliche Positionen wie dem Recht zur Abtreibung und der prinzipiellen Abwertung von Menschen.

Der faire Streit über Meinungen sollte sich eben nur um Meinungen drehen und nicht um das Wesen von Menschen. Denn Meinungen sind veränderbar. Neue Erfahrungen und Diskussionen können durch neue Informationen oder anders gedachte Standpunkte eine Meinung verändern. Ein Mensch kann bestimmte Dinge aber nicht verändern, egal wie sehr darüber diskutiert wird. Das gilt übrigens nicht nur für Homosexuelle. Es gilt auch für Einwanderer und Flüchtlinge, für farbige Menschen und Menschen mit Behinderung,

Es gibt drei vielzitierte Sätze, die das schlaglichtartig verdeutlichen:

Kein Mensch ist illegal.

Rassismus (und Diskriminierung) ist keine Meinung.

Das Recht auf Meinungsfreiheit bedeutet nicht die Freiheit von Widerspruch.

Ich glaube, der letzte dieser Sätze ist der entscheidende, den manche Menschen erstmal begreifen müssen, und zwar zusammen mit der Erkenntnis, dass bestimmte Ansichten von dieser Meinungsfreiheit gar nicht gedeckt sind und ihnen daher nicht argumentativ begegnet werden muss, sondern prinzipiell aus ethischen und moralischen Gründen. Auf der Basis eines christlichen Zugehens auf Menschen muss klar sein: Auch "ein bisschen Benachteiligung" ist nicht ok. Und dazu muss auch klar sein: Ein entschiedener Widerspruch gegen eine Meinungsäußerung ist keine Benachteiligung. Das gilt in beide Richtungen einer Debatte - aber eben nur, so lange es tatsächlich um Meinungen geht.

Sobald es um Diskriminierung auf der Basis von Alter, Geschlecht, sexueller Orientierung, Herkunft, Hautfarbe oder anderer körperlicher Merkmale geht, endet das Recht auf eine argumentative Auseinandersetzung. Homosexualität ist im Moment in der evangelischen Kirche das Thema, an dem sich das am deutlichsten entzündet, aber "Pegida" zeigt, dass diese Grundsätze auch außerhalb der Kirche immer wieder betont und vermittelt werden müssen.

Die Blogs ein bisschen aufgeräumt

In ganz anderer Sache haben wir nach einigen Rückmeldungen bei den Weblogs aufgeräumt und die ausgelaufenen Blogs, die nicht mehr weitergeschrieben werden, in eine eigene Übersichtsseite verschoben. Unten auf der Weblog-Seite ist der Link "Ältere Blogs" zu finden. Auch in den einzelnen Blogeinträgen sind in der rechten Spalte nur noch die aktiven Blogs verlinkt.

In eigener Sache

Weil sich am Freitag häufiger Blog-Inhalte auf der Seite ballen, werde ich dieses Blog zukünftig auf den Samstagvormittag planen. Es kann durchaus auch mal am Freitag schon veröffentlicht sein, aber wenn Sie verlässlich lesen wollen, was ich hier schreibe, schauen Sie einfach am Samstagvormittag vorbei! 


Wenn Sie noch weitere, andere oder neue Fragen zu evangelisch.de oder unseren Themen haben, sind die Redaktion und ich auf vielen verschiedenen Kanälen erreichbar:

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Ich werde immer am Samstag an dieser Stelle ihre Fragen beantworten, so gut ich kann, und wünsche euch und Ihnen einen gesegneten Start ins Wochenende!

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