Onward 2019: Vorwärts in die mobile Kundenzukunft

Onward 2019: Vorwärts in die mobile Kundenzukunft
In einer Welt, in der die nächste Ablenkung nur einen Klick entfernt ist, wollen Menschen ganz gezielt angesprochen werden, und zwar smartphone-tauglich. Alles andere geht unter. Kann Kirche das?

Der Kunde ist König, look at the user, kenne deine Kunden - alles keine neuen Lehren. Es gibt in der digitalen Gegenwart im Moment aber keinen anderen sinnvollen Zugang zur Verbreitung von Produkten und Ideen als diese Maxime aus allen Richtungen ernst zu nehmen. Onward 19, die jährliche Konferenz von Yext, hat das deutlich deutlich gezeigt.

Weil wir inzwischen in mehreren Landeskirchen ein Pilotprojekt zur digitalen Sichtbarkeit aller Kirchen mit Yext laufen haben, waren Ralf Peter Reimann, Internetbeauftragter der EKiR, und ich nach New York eingeladen, um die Zusammenarbeit dort vorzustellen und weiterzuführen. Dabei hatten wir auch die Gelegenheit, an der ganzen Konferenz teilzunehmen: Zwei Tage über Marketing, Suche und die Kontrolle über die eigenen Informationen von Firmen und Institutionen. (Ralf Peter hat auf Theonet über seine Onward19-Beobachtungen gebloggt.)

Vorab sei gesagt: Der Aufwand, den eine börsennotierte Firma wie Yext für eine solche Konferenz mit 1.600 Teilnehmenden betreibt, ist enorm. Keynotes von Seth Meyers und Seth Godin, ein Bühnengespräch mit ein Abschlusskonzert für die Konferenzteilnehmer mit Gavin DeGraw (mir bisher unbekannt), ein eigens kreierter Cocktail (allerdings nicht so lecker), eine eigene App für die Konferenz, RFID-Tags für alle Teilnehmer zum Punkte sammeln bei Veranstaltungen, die dann wieder für Merchandise eingetauscht werden konnten: Großes Theater können die Amis.

Sie können aber auch viele interessante Gesprächspartner an einem Ort zusammenbringen, die sich alle die gleiche Frage stellen: "Wie erreiche ich meine Kunden am besten?" Aus den Gesprächen, Keynotes und Panels habe ich drei Beobachtungen mitgenommen.

Beobachtung 1: Wer versucht, jeden zu erreichen, erreicht niemanden

Seth Godin hat die zentrale Botschaft von Onward 19 in seiner Keynote auf den Punkt gebracht: Vergesst das Massenmarketing! Wer versucht, jeden zu erreichen, erreicht niemanden. Die Disintermediatisierung des Internets kann man sich nur zunutze machen, wenn man sie ernst nimmt und direkt Kontakt zur eigenen Community aufbaut. Firmen wie Away, Warby Parker, GoRuck und viele andere sind auch ohne Fernseh-, Zeitungs- und Radio-Werbung erfolgreich. Sie finden ihre Kunden, weil sie ihr Produkt ohne Umweg anbieten und dabei eine Geschichte erzählen, die genau diese Kunden anspricht. Je spezifischer, umso besser, so lange die Kundengruppe groß genug ist, damit das Geschäftsmodell noch funktioniert.

Das ist übrigens auch, was Journalistik-Professor Jeff Jarvis seit Jahren schon den Medien empfiehlt: Baut eine Gemeinschaft von Nutzer*innen auf, die euch kennen und die eure Art zu arbeiten und Geschichten zu recherchieren schätzen und unterstützen. Die Ära des werbefinanzierten Massenmediums ist zu Ende.

Auf die Kirche übersetzt bedeutet das: Jede Gruppe, die ich in einer Gemeinde ansprechen will, braucht eigene Kommunikationswege, eigene Geschichten, eigene Veranstaltungen. Am Ende steht die gleiche Erlösungsbotschaft – bloß reicht das allein nicht. Gemeinden, die einen Chor, eine Jugendgruppe, einen Seniorenkreis und eine Konzertreihe haben, wissen das schon längst. Aber haben die Pfarrerinnen und Pfarrern genug Unterstützung, um diese unterschiedlichen Zielgruppen tatsächlich alle passend ansprechen zu können? Ich glaube: meistens (noch) nicht.

Beobachtung 2: Kirchen und Unternehmen können voneinander lernen

Unternehmen können von Kirchen lernen, dass ein seelenloses Produkt niemanden berührt. Nur wenn Menschen von einer Sache überzeugt sind, machen sie mit – dann aber umso intensiver.

Kirchen können von Unternehmen lernen, dass der Kunde entscheidet, wie ein Produkt sein muss, damit es angenommen wird. Es gibt einfach Kundengruppen, deren Interessen nicht überlappen und die nicht das gleiche Produkt kaufen werden, egal wie gut es ist. Mindestens die Verpackung muss unterschiedlich sein, auf jeden Fall aber die Story dahinter. Und das Produkt muss die Versprechungen aus der Story auch erfüllen!

Erprobte Software hilft gerade kleinen und mittelständischen Unternehmen, mit begrenzten Ressourcen effizienter zu arbeiten, ihre Buchungs- und Abrechnungsprozesse besser zu überblicken und schneller Kontakt zu ihren Kunden zu halten. Maßgeschneiderte Lösungen können sie sich nicht leisten, deswegen nutzen sie Plattformen wie thryv oder Shopify. Für Gemeinden gilt das auch: Entsprechende Software kann sie sinnvoll unterstützen, von landeskirchlichen Lösungen bis zu ChurchDesk (wo ich ab Frühjahr 2020 arbeiten werde, deswegen erwähne ich sie hier).

Ralf Peter saß übrigens als Kirchenvertreter auf einem Panel mit Vertretern von Diageo (Alkolhol), Philipp Morris (Tabak) und Wells Fargo (Finanzwirtschaft). Selbst da haben sich Gemeinsamkeiten ergeben, unter anderem weil alle vier nicht nach rein marktwirtschaftlichen Kriterien handeln (können), sei es durch Regulierung oder weil eine zusätzliche nicht-finanzielle Verantwortung dazukommt - von Sucht bis Erlösung.

Beobachtung 3: Mobile first wird zu mobile only

Ich war bei einem hochinteressanten Panel, auf dem Vivien Cheung von Yext und Amory Kelie von Adidas aus dem chinesischen Markt berichteten. Kelie ist "Global Director Traffic Growth" für den Sportartikelhersteller und erzählte, dass für China ganz andere Marketingwerkzeuge nötig sind. Denn erstens sind die westlichen Plattformen (Google, Apple, Amazon, Facebook) durch die chinesische Firewall nicht erreichbar. Stattdessen sind die Chinesen auf Plattformen von Baidu, AliBaba und Tencent unterwegs – auch wenn sie ins Ausland reisen.

Zweitens ist China eine "mobile only"-Gesellschaft. Amory Kelie hat es ganz deutlich gesagt: Chinas Nutzer*innen sind ohne Desktop aufgewachsen! Die gesamte Nutzererfahrung spielt sich im Smartphone-Format ab, und E-Commerce ist darin viel stärker eingebettet als bei uns. Aus fast jeder Plattform kann man Produkte direkt über den angeschlossenen Online-Shop des jeweiligen Anbieters kaufen.

Darauf müssen wir uns in Europa auch noch einstellen. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass ich inzwischen Webseiten ohne eine vernünftige Mobilansicht direkt wieder zumache. Es muss nicht immer gleich eine eigene App sein. Aber der 16:9-Bildschirm ist ein Auslaufformat für alles, was nicht Netflix ist. Egal ob es Online-Shopping, Familienbilder oder die Taufanmeldung ist: Es muss auf dem Smartphone funktionieren.

Vielen Dank für's Lesen und Mitdenken!


Im Blog Confessio Digitalis schreibe ich meine Beobachtungen, Links und Interviews zu den Themen Digitalisierung, Digitale Kirche und digitalisierte Welt auf. Ich bin erreichbar auf Twitter als @dailybug.

P.S.: Leser*innen haben mich darauf hingewiesen, dass "Digitalis" auch der Name der Fingerhut-Pflanzen ist, die zu Gift verarbeitet werden können. Das lässt den Blogtitel "Confessio Digitalis" natürlich ein bisschen fies klingen. Andererseits behandelt man mit Digitalis-Präparaten auch Herzprobleme. Und dass das digitale Herz der Kirche besser schlägt, ist mir ein Anliegen. Deswegen lasse ich den Namen des Blogs so - nehmt es als Präparat!

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