Die eigenen Daten besser kennen - und besser nutzen

Die eigenen Daten besser kennen - und besser nutzen
Wenn Wissen Macht ist, müssen wir wissen, was man damit macht: Wir müssen unsere eigenen Daten als Organisation besser kennen und besser nutzen.

"Knowledge is power", Wissen ist Macht, hat die Firma Yext ihre Konferenz "Onward 18" in diesem Jahr überschrieben. Ich war eingeladen, als einer von mehr 1.200 Teilnehmern in New York dabei zu sein. Was auf der Konferenz demonstriert und diskutiert wurde, habe ich noch lange nicht komplett verarbeitet, aber einen Hauptgedanken, den ich mit nach Deutschland zurücknehme, kann ich schon benennen:

Wir müssen unsere eigenen Daten besser kennen und besser nutzen. Vielleicht auch als Einzelpersonen, aber vor allem als Organisation.

Wissen ist Macht und wir müssen wissen, was man damit macht. Denn in einer Welt, deren Informationsverarbeitung jetzt schon und zukünftig noch mehr von Computersystemen mit künstlicher Intelligenz übernommen wird, fallen alle Organisationen in den Hintergrund dieses Informationsnetzwerkes, die für diese Systeme nicht einfach lesbar sind. 

Damit das nicht passiert, müssen aber erstmal alle Informationen, die man über seine eigene Organisation wissen kann, so bereitliegen, dass eigene und fremde Systeme, Anwendungen und Werkzeuge damit weiterarbeiten können. Zum Beispiel könnte es für uns als evangelische Kirche interessant sein, alle unierten Gottesdienste im Raum Dortmund zu zeigen, die nicht zur klassischen Zeit am Sonntag um 10 Uhr beginnen und mit einem öffentlichen Verkehrsmittel erreichbar sind. Oder es könnte spannend sein, alle Predigttermine von leitenden Geistlichen aller Landeskirchen nachschauen zu können, um die Predigten nachzulesen. Beides können wir derzeit nicht zur Verfügung stellen, wenn wir nicht erhebliche menschliche Arbeitskraft dahinterstecken, diese Informationen zu sammeln und aufzubereiten.

Den eigenen Knowledge Graph visualisieren und ergänzen

Gerade wenn es um Service-Angebote geht, ist die Kapazität von Menschen aber begrenzt, obwohl Service vor allem dann gut wird, wenn ein Feld (fast) vollständig erfasst wird. An der Stelle kann eine "knowledge enginge" helfen. Die Menschen von Yext haben bei der Konferenz ihre Version davon präsentiert, das "Yext Brain". Die Idee dahinter ist, strukturierte Daten mit Interdependenzen zu verknüpfen und daraus den eigenen Knowledge Graph sichtbar, verarbeitbar und nutzbar zu machen.

Der Knowledge Graph ist im Prinzip die Sammlung aller Informationen, die man über die eigene Organisation (oder sich selbst!) wissen kann, einschließlich der Verbindungen zwischen diesen Informationen. Google hat den Begriff in dieser Verwendung seit 2012 populär gemacht, Facebook hat ihn als Social Graph adaptiert.

Bisher baut Google den Knowledge Graph aus den verfügbaren Informationen für sich selbst aus und gibt ihn dann in den Suchergebnissen wieder aus. Das Ziel von Yext Brain ist, Unternehmen und Organisationen eine Oberfläche zu geben, mit der sie Einfluss nehmen können auf die Ergebnisse und die Zusammensetzung dieser Informationen und Verbindungen (und sich natürlich dafür auch bezahlen zu lassen).

In der klassischen Google-Websuche wirkt das erstmal indirekt, weil Google die ausgelieferten Informationen selbst noch einmal verarbeitet. Für andere Anwendungen, die strukturierte Daten entgegennehmen – vor allem die Sprachassistenten wie Google Home und Amazon Alexa – kann das Yext Brain dagegen direkt ausliefern. "Alexa, wann ist der nächste Gottesdienst in meiner Nähe?" ist eine hochkomplexe Frage, die keiner der Sprachassistent derzeit beantworten kann. Denn wir stellen diese Daten nicht in der Weise zur Verfügung, dass künstlich intelligente Systeme darauf Zugriff haben. Und wenn sie trotzdem etwas finden, gibt es innerhalb der evangelischen Kirche in all ihrer Vielfalt keine Qualitätssicherung, dass die Daten tatsächlich stimmen.

Nicht abhängen lassen - noch ist es nicht zu spät

Bei Onward18 gingen aber alle Speaker*innen davon aus, dass Sprachassistenten – also das Reden mit der Maschine – und damit die dahinterliegenden Systeme in der nahen Zukunft eine massiv größere Rolle spielen werden als jetzt schon. Auch am Rande der offiziellen Programmpunkte war diese Entwicklung schon Gewissheit, auch deswegen, weil die großen Player im digitalen Raum (Apple, Google, Amazon, Microsoft) mit Hochdruck an ihren intelligenten Assistenzsystemen arbeiten.

Diese Assistenten sind derzeit noch sprachfokussiert, aber Google beispielsweise hat viele Elemente davon auch in der klassischen Suche. Die Suchergebnisse, die so aussehen als kämen sie von Google selbst: auch die werden von den zugrunde liegenden Computersystemen bespielt.

Die Konferenz hat mir erneut eindrücklich gezeigt, dass wir in einer Welt leben, in der Informationsströme vor allem von künstlichen Intelligenzen gesteuert werden, mit denen wir Menschen aufgrund der schieren Menge an Informationen nicht mithalten können. Wer sich in dieser Welt nicht mit automatisierter Datenverarbeitung befasst und die eigenen Informationen und Verkettungen für diese Welt lesbar macht, wird von denen abgehängt, die das tun. Und gerade als Kirche, die ohnehin schon von der Angst vor dem Bedeutungsverlust getrieben ist, sollten wir uns dort nicht abhängen lassen. Noch ist es nicht zu spät: Das Zeitalter der KI bricht gerade erst an.

Vielen Dank für’s Lesen und Mitdenken!

Offenlegung: Yext hat mir und Ralf Peter Reimann als Kirchenvertreter die Konferenzgebühr für "Onward18" erlassen und Unterkunft sowie Flug (Economy) zur Verfügung gestellt. Wir sind mit Yext seit März 2018 über ein Pilotprojekt in der evangelischen Kirche im Gespräch.


Im Blog Confessio Digitalis schreibe ich meine Beobachtungen, Links und Interviews zu den Themen Digitalisierung, Digitale Kirche und digitalisierte Welt auf. Ich bin erreichbar auf Twitter als @dailybug.

P.S.: Leser*innen haben mich darauf hingewiesen, dass "Digitalis" auch der Name der Fingerhut-Pflanzen ist, die zu Gift verarbeitet werden können. Das lässt den Blogtitel "Confessio Digitalis" natürlich ein bisschen fies klingen. Andererseits behandelt man mit Digitalis-Präparaten auch Herzprobleme. Und dass das digitale Herz der Kirche besser schlägt, ist mir ein Anliegen. Deswegen lasse ich den Namen des Blogs so - nehmt es als Präparat!

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