Warten auf eine Perspektive - zehn Jahre und länger

Warten auf eine Perspektive - zehn Jahre und länger
Foto: EKBO/Heike Krohn
Die Reste des Flüchtlingslagers, das von den italienischen Behörden geräumt wurde.
Wie leben Flüchtlinge in Europa, bevor sie zu uns nach Deutschland kommen? Landesbischof Markus Dröge (EKBO) macht sich vom 10. bis 13. Juni in Italien selbst ein Bild. Hier berichtet er von seinen Erlebnissen auf der Reise.

Freitag, 12. Juni 2015

Wie eine Müllhalde wirken die Reste des Lagers, das sich die Flüchtlinge gebaut hatten. Erst vor wenigen Wochen hatte Papst Franziscus die Menschen in ihren provisorischen Hütten besucht und auf ihre Lage aufmerksam gemacht. Kurze Zeit danach hat die Polizei das Lager abreißen lassen.

Direkt gegenüber diesem Haufen aus Wellblech und Spanplatten an einer Durchgangsstraße stehen auf einem Parkplatz jetzt Zelte von Migranten. Hier leben derzeit noch 20 junge und ältere Männer, die zuvor ihre Hütte auf der anderen Straßenseite hatten. Viele kommen aus Eritrea. Paolo (das ist nicht sein richtiger Name) ist 37 Jahre alt. Mit 27 Jahren kam er aus Eritrea nach Italien. In Eritrea war erst wenige Jahre zuvor der Unabhängigkeitskrieg beendet worden. Paolo wollte ein besseres Leben. In seinem Heimatland hatte er eine Ausbildung als Krankenpfleger, erzählt er mir, die von Italien nicht anerkannt wurde. So lernte er so schnell wie möglich italienisch und konnte in einem zweijährigen Studium der Krankenpflege einen italienischen Abschluss erwerben.

Aber trotzdem - auf dem italienischen Arbeitsmarkt hat er keine Chance. Arbeitslos lebt er nun seit Jahren auf der Straße. Bis vor wenigen Wochen war das illegale Lager auch für ihn ein zu Hause. Eigentlich sind das Bilder, die ich aus anderen, ärmeren Ländern kenne. Der Haufen Müll wirkt wie ein Sinnbild der zerstörten Hoffnungen der Menschen. Paolo kann nicht zurück, weil er in Eritrea keine Chance hat, erzählt er. Und er hofft noch immer, dass sich auch nach zehn Jahren etwas für ihn zum Besseren wendet. Aber er kann nichts tun als zu warten. Diese fehlenden Perspektiven finde ich sehr bedrückend.

Das neue Flüchtlingslager auf dem Parkplatz gegenüber dem abgerissenen Flüchtlingscamp.

Nach der Ponte Mammolo haben uns die Verantwortlichen von der italienischen Flüchtlingshilfe zum Centro Baobab gefahren. Das ist eine Kultureinreichung, die von Migranten selbst unterhalten wird. Normalerweise finden dort Veranstaltungen statt. Es gibt einen Friseur und darüber hinaus werden bis zu 100 Schlafplätze angeboten. Einmal in der Woche kommt das Rote Kreuz mit einem Bus vorbei und bietet eine medizinische Versorgung an. Als wir am Centro Baobab ankommen, laufen junge Männer hinein und hinaus, Fernsehkameras sind auf die Straße gerichtet. Da die Polizei mehrere illegale Schlafplätze von Migranten und Flüchtlingen geräumt hat, sind seit gestern plötzlich die Räume überfüllt. Jemand erzählt uns, dass bis zu 500 Personen nun seit gestern sich dort aufhalten würden und sogar auf dem Boden schlafen.

Hier in Rom ist zeigen sich die Auswirkungen der europäischen Flüchtlingspolitik, die den Ländern an den Außengrenzen die Verantwortung für die Aufnahme von Flüchtlingen zuschiebt. Es kann nicht nur zur Aufgabe dieser wenigen Länder gemacht werden, den Menschen, die nach Europa kommen, eine Zukunft zu bieten.

Bischof Dröge im Gespräch.

weitere Blogs

Regenbogengottesdienst  in Adventszeit
Ein Gedicht zum Heiligen Abend aus queerer Perspektive nicht nur für queere Christ:innen.
Warum Weihnachten hinter einer Mauer liegt und was sie überwinden kann.
In einer Kirche hängt links neben dem Altar ein Schild mit der dreisprachigen Aufschrift No pasar - Überholverbot - no passing
In Spanien gibt es ein Überholverbot am Altar.