Aus alt mach jung

Aus alt mach jung

Erinnern Sie sich noch an Dolly aus Schottland? Das Schaf war das erste Säugetier, das jemals geklont wurde, und machte 1996 deshalb Schlagzeilen. Auch bei den neuesten Klon-Plänen möchte Großbritannien wieder eine Vorreiterrolle spielen. Nur soll es diesmal um Bäume gehen. Und zwar um besonders große oder alte Bäume.

 Klonen an sich ist in der Pflanzenzucht zwar alles andere als neu: Jeder Ableger ist mit der Mutterpflanze genetisch identisch und kann als Klon gelten. Insofern verdienen Gärtnereien und Landwirte mit Klonen schon lange ihren Lebensunterhalt. Schwierigkeiten machten bisher allerdings Bäume, die wegen ihres Alters nicht mehr so leicht durch Ableger und Stecklinge vermehrt werden konnten. Die Rede ist von Bäumen, die mehrere Hundert oder gar Tausend Jahre alt sind. Und von denen gibt es in Großbritannien - sonst nicht unbedingt wegen seiner Wälder berühmt - noch so einige. Tausende von neuen Trieben müssten von einem solchen Methusalem abgeschnitten werden, um einen neuen zu erhalten, sagte der amerikanische Baumspezialist David Milarch dem Guardian. Er hat sich auf die Fahnen geschrieben, die ältesten und größten Bäume der Insel zu vervielfältigen, möglich wäre es mit seinem Verfahren angeblich millionenfach. Ausprobiert hat er es zuvor mit uralten amerikanischen Redwoods, die an der kalifornischen Küste wachsen: 16 identische Abkömmlinge des fünftältesten Baumes der Welt stehen nun in Milarchs Gewächshaus. Ich gebe zu, die Vorstellung hat etwas Faszinierendes. Schließlich gehört zu meinen Lieblings-Spaziergehrevieren hier in England der Sherwood Forest, in dem viele uralte Eichen stehen, unter anderem auch die Eiche, in deren hohlem Stamm sich einst Robin Hood versteckt haben soll. Der Gedanke, dass diese Bäume, die so viel "gesehen" haben, in nicht allzu ferner Zukunft von ihrem Alter, Wind, Wetter und Umwelteinflüssen gefällt werden, macht traurig. Wie schön wäre es also, wenn sie wieder auferstehen könnten. Andererseits: Sind es nicht gerade die individuellen Merkmale und das Wissen darum, dass sie über all die Jahre von so viele Einflüssen geformt wurden und die ihnen eine Seele verleihen? Ein Abziehbild wäre doch nicht dasselbe, oder? Mal davon abgesehen, dass sie ja nicht schon alt "geboren" würden, sondern viele, viele Jahre bräuchten, bis sie so wären wie ihre genetischen Eltern heute sind. Was spricht also dagegen, die bereits existierenden Bäume einfach wachsen und alt werden zu lassen, statt sie vorzeitig abzuholzen? Noch ist nicht entschieden, ob Milarch in Britannien tätig werden wird. Wie auch immer: Ich hoffe für seine Klone, dass sie nicht das Schicksal von Dolly, dem Schaf, teilen müssen: Die durfte Zeit ihres Lebens ihren Stall "aus Sicherheitsgründen" nicht verlassen.  So, und ich gehe jetzt raus in den Garten. Ich möchte ein paar Ableger von den Erdbeerpflanzen abmachen - die werden langsam zu alt und müssen verjüngt werden.

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