Wissen Sie, was ein Cereologe ist? Nein, es ist nicht etwa ein Wissenschaftler, der Müslis seziert, und auch kein Vortragsreisender in Sachen Frühstückszerealien. Cereologen nennen sich Menschen, die sich mit Kornkreisen beschäftigen. Kornkreise sind bekanntlich ein ur-englisches Phänomen. Erste Sichtungen wurden bereits im 16. Jahrhundert gemacht, doch so richtig in Schwung kam die Faszination an den Mustern in Getreidefeldern erst, als ab 1978 im Süden Englands laufend neue Kreise auftauchten.
Immer entstanden sie über Nacht, ohne dass jemals jemand bei der (illegalen) Aktivität des Ähren-Umlegens gesehen worden wäre. Wissenschaftler und selbsternannte Experten (Cereologen) aus aller Welt verstiegen sich zu den gewagtesten Theorien, wer oder was die geometrischen Muster geschaffen haben könnte: Wetterphänomene wie zum Beispiel Luftwirbel, elektromagnetische Felder, liebestolle Rehe oder Außerirdische, die mit ihrem Ufo zu uns gekommen sind, um uns geheime Botschaften zu übermitteln.
Die Theorie mit den Marsmännchen fand die größte Anhängerschaft, wobei sich niemand darüber zu wundern schien, dass die Außerirdischen nach ihrer langen Reise offenbar fast ausschließlich mit Engländern ins Gespräch kommen wollten. Immer komplexer wurden die Muster, immer verärgerter die Bauern, deren Felder zunächst von den Aliens, dann von Schaulustigen zertrampelt wurden. Erst 1991 traten die beiden Künstler Doug Bower und Dave Chorley ins Rampenlicht und gaben zu, dass sie 13 Jahre zuvor nach einem ausgedehnten Pubbesuch die Idee mit den Kreisen hatten. Was Cereologen aber keineswegs davon abhält, weiterhin an nach menschlichem Ermessen unerklärliche Vorgänge zu glauben.
Soweit zum historischen Hintergrund. Nun aber zum heutigen Thema dieses Blogs: Letzte Woche, also kurz nachdem ich die Tipps zur Rasenpflege veröffentlicht hatte, verfärbte sich das Gras auf einem ungefähr ein Quadratmeter großen, quadratischen Flecken über Nacht zuerst rotbraun; innerhalb von 48 Stunden wurde der Rasen auf der besagten Fläche dann trocken und strohig. Der Mann und ich standen lange kopfkratzend davor, und wir rätseln noch immer, wer oder was den "Brandfleck" verursacht haben könnte. Wir haben in der Vergangenheit nichts an besagter Stelle abgestellt, und angesichts der Größe und der geraden Außenkanten des Quadrats scheidet Katzenpipi ebenso aus (es war auch nie etwas derartiges zu riechen).
Ich glaube ja eher nicht, dass ein Ufo auf unserem Rasen gelandet ist und eine geheime Botschaft für uns hinterlassen hat, auch wenn man nicht viel Phantasie braucht, um in dem Quadrat wahlweise Hieroglyphen oder tanzende Wichtelmänner zu erkennen. Rein künsterlisch kann unser Grasquadrat jedoch nicht mit den südenglischen Kornkreisen mithalten. Dass Doug Bower und Dave Chorley heimlich in die Midlands kamen, um zum Jux aus unserem Garten eine neue Pilgerstätte für Esoteriker zu machen, halte ich ebenfalls für unwahrscheinlich.
Andererseits - wir sind hier in England. Erst vor drei Jahren wurde die Meldestelle für Ufo-Sichtungen des britischen Verteidigungsministeriums geschlossen, weil man nach 50 Jahren und tausenden Berichten von Sichtungen zu dem Schluss gekommen ist, dass Außerirdische zwar durchaus existieren könnten, von ihnen aber keine Gefahr für die Insel ausgehe. Und vor einigen Wochen veröffentlichte das hiesige Lokalblatt einen Artikel über zwei örtliche Pubs, in denen angeblich gleich mehrere Geister spuken. Ich persönlich finde es zwar etwas seltsam, dass die Pub- und Hotelgeister immer dann Schlagzeilen machen, wenn einer neuer Betreiber die Lokalität übernommen hat und vermutlich die Geschäfte etwas ankurbeln möchte. Aber vielleicht ist es nur meine kontinentaleuropäische Herkunft, die es mir am Sinn für Übersinnliches fehlen lässt.
Ich werde jedenfalls erstmal die Theorien des Schwiegervaters weiterverfolgen. Danach können Flecken im Gras durch eine Pilzerkrankung entstehen (seiner Meinung nach sind in diesem Fall aber "zu dieser Jahreszeit keine drastischen Maßnahmen erforderlich", lediglich die trockenen Halme sollten weggerecht werden), durch schlecht abfließendes Wasser ("Boden lüften / vertikutieren") oder einfach weil sich lange niemand richtig um den Rasen gekümmert hat ("düngen und im Frühjahr mit etwas Neusaat ausbessern").
Die seltsame Form des Flecks ist damit zwar noch nicht erklärt. Aber wenn alles nichts nützt, kann ich ja immer noch einen Cereologen (oder vielleicht besser einen Grasologen) um Rat fragen.
Beam me up, Scotty
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